Dialog

Dienstag, 13. April 2010

Dialog

Dialog zwischen meinem bindungswilligen Selbst (B) und meinem nicht-bindungswilligen Selbst (NB):

B: Gib es doch zu: Du bist einsam.

NB: Nicht gezwungenermassen, nein. Lieber bin ich allein als mit jemandem zusammen, der mich von meiner wahren Bestimmung abhält.

B: Und was ist deine wahre Bestimmung?

NB: Mich selbst zu werden. Mein Potential auszuschöpfen.

B: Und wie weiss man, ob der Partner unserer Entwicklung dienlich ist?

NB: Wenn die Summe aus eins und eins viel mehr ergibt als zwei.

B: Versteh ich nicht.

NB: Wenn so etwas wie eine dritte Welt geboren wird.

B: Und das Gefühl, zu jemandem zu gehören, fehlt dir nicht?

NB: Ich gehöre auch so zu jemandem, ich habe einen Freundeskreis, ich habe eine Familie.

B: Das ist nicht dasselbe. Ich mag die Ausschliesslichkeit an einer Beziehung. Dass da jemand ist, der dich eng begleitet und mit dem du all die kleinen Dinge des Alltags teilen kannst. Es ist einfach gut, zu zweit zu sein. Generell im Leben.

NB: Beim Wort Ausschliesslichkeit dreht sich mir der Magen um. Wer will schon ein durch Sicherheit eingeengtes Leben? Ich möchte mir meine innere Freiheit jederzeit bewahren können.

B: Aber Liebe bedeutet Hingabe, sich fallen lassen dürfen. Deshalb gehen Menschen enge Bindungen ein.

NB: Ich möchte aber, dass mein Leben aus verschiedenen Epizentren besteht.

B: Du bist egoistisch.

NB: Bin ich das? Aber das Alleinsein hat auch etwas für sich. Denk nur an den Luxus, in aller Ruhe furzen zu können.

B: Jetzt ziehst du es ins Lächerliche. Jeder Mensch sehnt sich nach einer Beziehung. Keiner möchte allein sterben. Du hast einfach Angst vor Nähe.

NB: Und als nächstes sagst du, ich hätte einfach nur schlechte Erfahrungen gemacht mit der Liebe, nur weil dir die Argumente ausgehen. Glaube mir, ich habe keine Angst vor Nähe. Ich habe Angst, dass ich vergesse, wie der Horizont aussieht.

B: Willst du etwa, dass es auf deiner Beerdigung heisst: «Sie war ein Single»??

NB: Ich sehe es nicht als Stigma. Auf meiner Beerdigung könnte es auch heissen: «Sie hatte einen witzigen, aufregenden, intellektuell stimulierenden Beruf.»

B: Was zählt schon der Beruf, der ist zu jeder Zeit absolut sekundär. Auf was es im Leben am meisten ankommt, sind menschliche Beziehungen.

NB: Ich bin aber nicht besonders scharf darauf, mit meinem Freund dienstags «Tatort» zu schauen und am Sonntagnachmittag an einen Kindergeburtstag zu pilgern.

B: Aber einsame, leere Sonntag willst du wohl auch nicht, oder?

NB: Ich hasse einsame, leere Sonntage.

B: Siehst du! Ich habs dir gleich gesagt! Du bist eben doch einsam.

NB: Fühlst du dich besser, wenn ich zugebe, dass ich es manchmal bin? Aber das ist nichts gegen das Gefühl, sich zu zweit einsam zu fühlen. Erzähl mir nicht, dass du dich nie unverstanden fühlst.

B: Dir fehlt eben die männliche Perspektive.

NB: Dir fehlt sie vielleicht mehr als mir.

B: Was willst du damit sagen?

NB: In Nepal kann man auf dem Busdach reisen, mit freiem Blick auf den Horizont. Durch die Hochebene zu fahren, auf diesem Busdach, ist ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit. Wenn jemand im Bus mitfährt, auf dem Dach oder unten, im sicheren Passagierbereich, würde mich das glücklich machen. Aber niemals würde ich wegen dieser Person unten im Bus auf den freien, ungehinderten Blick auf den Horizont verzichten wollen.

B: Aber man muss in einer Beziehung eben Kompromisse eingehen.

NB: Vielleicht lasse ich, was die Busroute betrifft, mit mir reden.

B: Sehr witzig.

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