AMAZONEN-GESCHICHTEN

Dienstag, 26. Oktober 2010

Ich bin Buddha

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Lockenkopfs Freund machte – lange ist's her – was ich einen karmischen Tauschhandel nennen würde. Sein geliebtes Fahrrad wurde ihm von Diebeshand genommen, doch dafür wurde ihm Lockenkopf geschenkt. Was ist schon ein jämmerliches Fahrrad im Tausch gegen so ein Superweib! Nehmt mein letztes Hemd; nehmt den Teller, von dem ich esse, wenn ich zum Tausch die um zehn Jahre verjüngte Ausgabe von George Clooney bekomme. Die Geschichte ging so: Just in dem Moment, als er entdecken musste, dass sein Rad weg ist, stand sie vor ihm, engelsgleich. Retterin des Lichts. Doch wenn MEIN Velo geklaut wird, passiert wieder mal überhaupt nichts dergleichen. Kein Paukenschlag des Himmels, kein poseidonisches Donnergrollen. Es passiert nichts, ausser, dass ich um eines meiner kargen Besitzümer erleichtert bin. Wer schert sich schon darum, sage ich mir, ich bin BUDDHA, ich weise nichts zurück, heisse alles willkommen. Die inneren Prozesse sind es, die bedeutsam sind. ICH BIN INNERLICH REICH. Und so, um mein geliebtes Velo ärmer und immer noch so single wie eh und je, stehe ich mir nun an der Bushaltestelle die Füsse platt.

Oder passiert doch etwas? Geben wir Besitztümer her, damit wir eine Lernaufgabe erfüllen können? Nichts passiert ohne Grund, daran glaube ich tatsächlich, und dieses höhere «Etwas» hat alle Hände voll zu tun, uns dort hinzuführen, wo wir letztendlich hingehören. Und dann muss ich an die Römerin denken, die von einer Japanreise heimgekommen ist und erzählt hat, in Japan sei es nicht nötig, sein Fahrrad abzuschliessen. «Das Paradies!», schreit mein altes Ich. «Die armen Japaner», denkt hingegen mein brandneues buddaähnliches Selbst, «können weder karmische Tauschhandel angeboten bekommen noch etwas lernen noch wirklich BUDDHA sein.» Danke, Fahrradklauer, dass du mich herausforderst. Buddha wird's dir danken.

Montag, 20. September 2010

Die sieben Zentimeter

amazonen_negativDas mit dem Frausein ist so eine Sache. Auf unserem Weg zur vollkommenen Sinnlichkeit werden uns immer wieder Fallen gestellt. Die sieben Zentimeter beispielsweise. Ab sieben Zentimeter sind High Heels nämlich offiziell High Heels. In Stöckelschuhen fühlen sich Frauen selbstbewusst und weiblich. Weil Frauen auf hohen Schuhen durch die Landschaft schaukeln, jedem Kanaldeckel ausweichen und dabei immer noch souverän lächeln sollten, sind sie manchmal ganz froh, ab und an einen Mann an ihrer Seite zu wissen, an dessen Arm sie sich ein wenig unterhaken können. High Heels scheinen nie eine falsche Wahl zu sein, auch nicht auf einer schneebedeckten Strasse in einem Schweizer Wintersportort. Die Szene, dessen Zeuginnen wir Amazonen in jener Neujahrsnacht werden: Zwei Liebespaare stehen am Strassenrand und warten auf ein Taxi, die Damen sind zurechtgemacht und tragen doch tatsächlich...High Heels. Wir schauen ungläubig, so viel Dummheit macht sogar uns sprachlos. «Diese Frauen können heute Abend tatsächlich keinen einzigen Schritt alleine tun», sage ich in das Schweigen hinein. Die Römerin antwortet: «Die haben dänk VIP-Eintritte in einen angesagten Club. Die müssen heute gar nicht mehr auf die Strasse. Nicht so wie wir, die in der Silversternacht um elf immer noch um die Häuser ziehen und nicht wissen, in welche Säuferbar es uns dieses Mal verschlagen wird.» Wo sie Recht hat, hat sie Recht.

Wir stapfen also weiter durch den Schnee und finden tatsächlich noch ein warmes Plätzchen für den Moment des Champagnerknallens. Als die Uhr Mitternacht anzeigt, fallen wir uns stürmisch um den Hals, uns von ganzem Herzen alles Gute wünschend. Danach ist mir etwas feierlich zumute. Und anstatt meine Weiblichkeit mit sieben Zentimeter hohen Absätzen Ausdruck zu verleihen, beschliesse ich, mir sieben süsse Zentimeter der anderen Art zu gönnen. «Ich lasse mir jetzt am Automaten einen Taschenvibrator raus», verkünde ich meinen Freundinnen in feierlichem Tonfall und rutsche enthusiastisch von meinem Barhocker. Auf ein vibrierendes neues Jahr!

Als ich den Automaten im Untergeschoss der Säuferbar anpeile, stehen da bereits zwei Frauen, die sich angeregt unterhalten. Ich denke bereits daran, meine Mission auf später zu verschieben, weil ich mich ein klitzekleines bisschen geniere. Doch dann beschliesse ich, zu meinem Bedürfnis zu stehen und fasse mir ein Herz. ICH KAUFE MIR HEUTE NACHT EINEN VIBRATOR, wiederhole ich innerlich mein Mantra, füttere den Automaten mit zwei Fünfliberstücken, als ich feststellen muss, dass dieser Automat kein Rückgeld gibt. Anstatt acht Franken zahle ich deren zehn. Aber was soll’s, schliesslich ist heute Silvester und vielleicht ist meine Neuanschaffung ja eine echte Investition. Mit grösster Sorgfalt wähle ich die richtige Taste, schliesslich will ich kein Kondom, was in diesem Automaten ebenfalls erhältlich wäre, nein, ich will einen TOY BOY. Die zwei Frauen, die sich nun über meinen Kopf hinweg unterhalten müssen, nehmen keine Notiz von mir. Ohne Unterlass plappern sie weiter. Und gerade, als ich das Päckchen aus dem Fach nehmen und verduften will, kommt eine junge Frau die Treppe herunter und verkündet lautstark: «Dä muess huere geil si, mini Fründin hät dä glich!» Es war eine meiner aufregenderen Silvesternächte.

Montag, 30. August 2010

Erst lachen, dann küssen

amazonen_negativEin Verehrer meiner Freundin Kaktusblüte arbeitet in einer Bar. Neulich beklagte sie sich: «Er steckt mir jeweils ganze Christbäume in meinen Drink, weil er nicht weiss, wie er mich sonst beeindrucken soll.» Damit meinte sie die dekorativen, glitzernden Strohhalme in Longdrinks. Gleichzeitig betont Kaktusblüte unter Freundinnen oft, dass ein Mann ihr sehr überzeugend glaubhaft machen muss, dass er sie begehrt. Nichts da mit Wischiwaschi-Geplänkel! Im Balztanz der Geschlechter gelten Hinhaltetaktiken oder Zögerlichkeiten gemeinhin als Liebeskiller. Ist es offensive Eindeutigkeit etwa genauso? «Da ist einfach jegliche Spannung weg», jammert Kaktusblüte. Und ich frage mich: Wie, um Himmels Willen, wollen wir eigentlich erobert werden?

Eine kleine Umfrage unter meinen Single-Freundinnen ergab folgendes: Die Römerin wird bei kreativer Umwerbung schwach, für Kaktusblüte sind ehrlich gemeinte Komplimente wichtig und die Eremitin stört sich grundsätzlich am Begriff «Eroberung»: «Erobern beinhaltet eine Art von Besitztum.» Fest steht schon mal: Wenn es ums Begehrtwerden geht, möchten Frauen wie wir als Subjekte betrachtet werden. Und FRAUEN WIE WIR haben ein sehr feines Sensorium dafür, wann Männer uns stattdessen als Objekte ansehen. «Wenn ich merke, er ist nur an mir interessiert, weil er meine Brüste toll findet und ich gerade verfügbar bin, hat er sich jegliche Glaubwürdigkeit verspielt», sagt die Eremitin. Wonach wir uns wirklich sehnen, ist der Blick in Ausschnitt UND Seele, der ganzheitliche Blick, der uns im 360-Gradwinkel erfasst.

Doch leider gibt es immer noch viel zu viele Männer, deren Balzverhalten einstudiert wirkt. So hat sich auch Kaktusblütes Kandidat brav und drehbuchkonform gemerkt, dass sie einen Opel Corsa fährt. Er war sich auch nicht zu schade, dieses Detail fast unbemerkt in ein Gespräch einfliessen zu lassen, in der Hoffnung, sie möge erkennen, was für ein bemerkenswert guter Zuhörer er doch sei. In den Augen von Kaktusblüte wirkte das sehr kontraproduktiv: «Es hat mir gezeigt, dass er nichts begriffen hat. Ich lege auf solche Dinge überhaupt keinen Wert. Mir ist es völlig gleichgütig, ob ich einen Opel Corsa fahre oder einen Seat. Das sagt rein gar nichts aus über meine Persönlichkeit.»

Das Geheimnis ist wahrscheinlich, dass wir uns fürs Anbaggern unmöglich eine Strategie zurechtlegen können. Hat ein Mann ein ehrliches Interesse an einer Frau, wird er ganz intuitiv spüren, welche Interessen diese Frau hat, worüber sie sich freut, worüber sie lacht oder wer ihre Freunde sind. Eigentlich ist das nicht anders als bei jeder anderen menschlichen Begegnung. Mit manchen Menschen kommt man nun mal ganz leicht und wie selbstverständlich auf eine darunter liegende Ebene, während man mit anderen ewig an der Oberfläche herumdümpelt und sich hinter Masken versteckt. Der einzige Unterschied zwischen dem Balztanz und einer «normalen» Begegnung ist die erotische Anziehungskraft.

Und eines, eines darf man auf dem steinigen Weg der Liebeswerbung auf keinen Fall vernachlässigen: Den Humor. Frauen lachen gern. Bereits Jerry Lewis wusste: «Mit Humor kann man Frauen am leichtesten verführen, denn die meisten Frauen lachen gerne, bevor sie anfangen zu küssen.» Wollt ihr also eine Frau küssen, liebe Männer, bringt sie zum Lachen. Bei einem Mann mit klugen Humor wird jede Amazonen-Frau schwach.

Freitag, 20. August 2010

Vom Glück der Piano-Kinder

amazonen_negativ Die Eremitin und ich haben einmal gemeinsam Vietnam bereits und abgesehen davon, dass es in Vietnam beeindruckend guten Kaffee gibt, haben mir auch die kleinen Balkon-Restaurants mit den bunten Lampions gefallen, die hoch oben wie Vogelnester an den Hausfassaden kleben. Dort kann man dann stundenlang sitzen und das Gewimmel der Leute beobachten, die unten durch die Gassen strömen. In so einem Café haben wir eines Abends einen weitgereisten Geschäftsmann kennen gelernt, der in Vietnam medizinische Geräte für Krankenhäuser abzusetzen versuchte. Er hat uns auch von TV-Kochshows erzählt, in denen nackt moderiert wird; überhaupt hat er sehr viel erzählt. Ich fand ihn aufgeblasen, grosskotzig und arrogant. Das Dumme ist, dass solche Menschen manchmal eine Faszination auf uns ausüben, der wir uns nicht entziehen können, selbst wenn wir es wollen. Im Grunde war er vermutlich ein armes Schwein, so ganz allein und weit weg von Zuhause. Doch eines musste man ihm lassen: Sein Horizont war weit, und er wusste viel. Und er hatte sich seine eigenen Gedanken gemacht. Er war keiner, der nachplappert. Ob uns schon einmal aufgefallen sei, dass Lehrer, überhaupt mit dem Intellekt arbeitende Menschen, immer einen Volvo fahren würden? «Smart guys drive safe cars», brachte er es auf den Punkt. Die Eremitin und mich hat das sehr beeindruckt. Wir hätten nie gedacht, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Marke eines Autos und der intellektuellen Fähigkeit seines Fahrers.

Die Eremitin und ich sind seinem Beispiel gefolgt und haben ebenfalls eine Theorie entwickelt, die in eine ähnliche Richtung geht. Sie lautet: Es gibt einen unleugbaren Zusammenhang zwischen der Herkunft eines Menschen und dem Vorhandensein eines Pianos in dessen Elternhaus. Das Piano ist die kritische Grösse, es teilt uns Menschen in zwei Kategorien: Ein Piano im Haus bedeutet Büchergestelle mit dicken Lexikabänden, Eltern die Wein aus bauchigen Gläsern trinken und schmeichelnde Pianoklänge, die durch die luftigen Korridore wabern. In Haushalten von Arbeiterfamilien hingegen steht kein Piano. In erster Linie weil keiner die Zeit fürs Spielen findet. Zudem ist es meistens eng in solchen Wohnungen, und angesichts des vielen Raumes, das so ein Piano einnimmt, ist daran nicht zu denken. Die Eremitin und ich sind – wen wunderts - beide ohne Piano aufgewachsen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum wir klugen Schwätzern gegenüber viel nachsichtiger sind, als sie es eigentlich verdienen würden.

Donnerstag, 15. Juli 2010

«Dinner for one» à la Lockenkopf

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Freundschaften zu pflegen ist nicht immer ganz einfach. Schweizerinnen und Schweizer seien gut darin, heisst es zwar. Und dennoch geht auch in Zeiten von «Facebook» nichts über den persönlichen Kontakt, das Gespräch. Entweder von Angesicht zu Angesicht oder per Telefon. Meine Freundin Lockenkopf hatte in dieser Hinsicht früher eine sehr nachahmenswerte Angewohnheit: War sie in leicht aufgekratzter Stimmung und lag gerade ein freier Abend vor ihr, nahm sie ihr Adressbuch zur Hand und rief von A bis Z all jene Leute an, von denen sie seit geraumer Zeit nichts mehr vernommen hatte. Alte Schulfreunde wurden nach ihrem Wohlbefinden gefragt, rauschende Feste in der gemeinsamen Erinnerung aufgefrischt, Hochzeitsmeldungen und Babyniederkünfte ausgetauscht, alte Lehrer durchgehechelt. Szenen einer Vergangenheit. Im übertragenen Sinne hat Lockenkopf all ihre Weggefährten zu Tisch gebeten, wobei die Gästeschar nach jedem getätigten Anruf wieder um eine Person reicher wurde. Den Klatsch, den sie erfuhr, konnte sie gleich für die nächsten «Gäste» an ihrem Dialogtisch zweit- und drittverwerten. Bald entstand eine bunte, laute Party, eine Art privat inszenierte Klassenzusammenkunft mit all jenen Menschen, mit denen Lockenkopf ein Stück Vergangenheit geteilt hatte. Und das bequem vom Sofa aus! Nicht mal eine Tasse Kaffee brauchte sie ihren Gästen anzubieten.
Zudem hat es den Vorteil, dass man das Gespräch ohne grosse Mühe («oh es klingelt an der Tür!») wieder beenden kann, wenn man sich doch nicht mehr so viel zu sagen hat, wie man eigentlich dachte. Bei einer richtigen Klassenzusammenkunft hingegen kommt es selten gut an, wenn man sich bereits vor dem Hauptgang wieder vom Acker macht. Ohne Alkohol, der die Zunge lockert, dessen Genuss sich aber spätestens am nächsten Tag rächt und ohne ein üppiges Essen, das schwer im Magen liegt, kann man so ganz lustvoll in der Vergangenheit schwelgen. Höchstens auf der Telefonrechnung schlägt es zu Buche. Aber zumindest so viel sollten einem alte Freunde Wert sein.

Mittwoch, 28. April 2010

Ab durch die Mitte – mit dem Fluchtauto

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Warum ist die Farbe der Freiheit blau? Blau wie das Meer, das im Sturmwind wogt, blau wie der Himmel, der sich vor uns auftut? Kaktusblüte und ich sind einmal mit einem blauen Kombiwagen losgefahren, über Land, an ein Openair. Es war Sommer, wir waren jung und spürten es vielleicht zum ersten Mal: Das berauschendste aller Gefühle, das Gefühl von Freiheit. Freiheit summt und schwingt, Freiheit ist kraftvoll, gewaltig und mitreissend. Freiheit ist Energie in ihrer Reinstform. «Ein richtiges Fluchtauto!» riefen wir uns gegen den Fahrtwind zu, der durch die offenen Fenster drang. Es hätte kein passenderes Auto geben können für unsere sommerliche Fahrt an ein Musikfest unter freiem Himmel. Mit diesem Wagen über Land zu brausen, das fühlte sich so ungebunden und grenzenlos an, das war sosehr «Thelma and Louise»!

Freiheit und Mobilität sind Geschwister. Lockenkopf hat das neulich so schön in Worte gefasst, als sie in verklärt-nostalgischem Ton meinte: «Früher, auf dem Töffli, da habe ich mich immer so frei gefühlt!» Oder wenn ich mich an vergangene Fährenpassagen erinnere, im Mittelmeer oder auf der Ostsee, war es da nicht auch dieses Freiheitsgefühl, das mich magisch auf Deck gezogen hat und mich den Horizont betrachten liess? Doch äussere Freiheit ist eine Frage der Umstände, immer ist sie nicht erreichbar. Innere Freiheit jedoch können wir immer erlangen ­– indem wir sie uns selbst erschaffen. Das wusste auch schon Ella Maillart, die berühmte Schweizer Reisende, die einst sagte: «Die Weite des Horizonts muss in uns sein, darf nur aus uns kommen.» Auch in der griechischen Philosophie sind solche Bemerkungen zu Freiheit zu finden. Epiktet, ein ehemaliger Sklave, soll einst geschrieben haben: «Uns bleibt oft nur das Los der Schicksalsergebenheit, immer aber besitzen wir die innere Freiheit zur Distanz.» Wahre Freiheit kommt immer aus uns selbst. Und nur aus uns selbst.

Und plötzlich erinnere ich mich an das Hochzeitsfoto einer Freundin aus Budapest: Die Braut ganz in Weiss, es liegt Schnee und als Hochzeitskarosse keine Limousine, auch kein Pferdegespann, sondern ein blauer VW-Bus. Obwohl die Eremitin und ich normalerweise nicht viel übrig haben für Hochzeitsfotos, waren wir richtiggehend angetan von diesen Bildern. Im Nachhinein weiss ich auch warum. Der blaue VW-Bus ist eine gute Symbolik für eine Ehe. Mit einem blauen VW-Bus in diesen neuen Lebensabschnitt zu donnern, verspricht, dass sich beide trotz Ehegelübde ihre innere Freiheit werden bewahren können. Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues... irgendwie ergibt das plötzlich Sinn.

Mittwoch, 16. September 2009

Coiffeurgeschichten

amazonen_negativWir alle tragen Geschichten aus unserer Vergangenheit in uns, die uns ganz besonders am Herzen liegen. Noch Jahre später geben wir sie mit vor Stolz geschwellter Brust zum Besten. Was wir gerne vergessen: Unser Blick ist voreingenommen, verschleiert vom Gefühl der Nostalgie. Für jemand, der nicht dabei gewesen ist, hat die Geschichte nicht die gleiche Sogwirkung. Unter den Amazonen heissen solche Geschichten «Coiffeur-Geschichten». Und das kam so:

Lockenkopf, Kaktusblüte und ich fahren im Auto, Lockenkopf sitzt am Steuer, als Kaktusblüte, scheinbar aus dem Nichts, von ihrem früheren Coiffeur Guido zu palavern beginnt. Jener Guido, der ihr als Mädchen die Haare geschnitten hat und ihr am Ende immer einen Lollipop in die Tasche steckte. Mit grösster Detailtreue zeichnet Kaktusblüte Leben und Biografie dieses Guido nach, inklusive der Tolle auf seinem Kopf und den Papagei im Salon.

Als Kaktusblüte ihren Monolog beendet hat, können weder Lockenklopf noch ich irgendeine Pointe darin erkennen. Eine verräterische Stille macht sich im Wagen breit, bis ich zu sagen wage: «Ähm... habe ich irgendwie die Pointe verpasst oder gibt es wirklich keine?» Wie sich herausstellt, war es ein unscheinbarer Salon am Strassenrand, der all diese wilden Assoziationen in Kaktusblüte ausgelöst hatte. Weder Lockenkopf noch ich hatten Guidos Salon überhaupt wahrgenommen.

Manchmal necken wir sie noch heute mit ihren Coiffeurgeschichten. Doch ob jemand einen Hang zu Coiffeurgeschichten hat, an den unmöglichsten Orten einschläft, vergesslich ist oder ständig in der Nase bohrt... genau solche kleinen Unzulänglichkeiten sind es doch, die unsere Freunde letztendlich so unverwechselbar machen.

Dienstag, 18. August 2009

Das Recht auf Liebestöter

amazonen_negativBridget Jones, die liebenswürdig-tapsige Katastrophen-Frau, die so gerne Tagebuch schreibt, hat den Begriff salonfähig gemacht: Liebestöter. Ein Liebestöter ist eine überdimensional grosse Unterhose, unmöglich in Schnitt und Farbe, die unter mysteriösen Umständen in die eigene Wäschekollektion geraten ist und darin eigentlich überhaupt keine Existenzberechtigung hat. Sie fällt völlig aus dem Rahmen, tummelt sich munter und hässlich zwischen all den Cadillacs ihrer Sorte. Die Eremitin hat dafür auch den schönen Begriff „Gammler“ geprägt. Fast jede Frau hat irgendwo noch so einen vergammelten Liebestöter in ihrer Kommode, wenn sie nur tief genug in der Schublade gräbt.

Peinlich wird es erst dann, wenn unsere Liebestöter plötzlich Blicken ausgesetzt sind, die nie für sie bestimmt waren. Einmal geriet der Gammler einer Freundin in die Schmutzwäsche der Männer-WG ihres damaligen Freundes. Einen Vollwaschgang später sah sein Kumpel den Liebestöter in seiner ganzen Pracht an der Wäscheleine hängen und konnte sich einen abschätzig-ironischen Kommentar nicht verkneifen. Ihr Freund nahm das unappetitliche Textil seiner Freundin in Schutz, indem er sagte: „Das sind eben ihre 'Mensunterhosen'.

Unterhosen, die frau nur während ihrer Tage trägt? Woher er das wohl hatte? Die Amazonen waren sich für einmal alle einig: Auch wir wünschen uns einen Mann, der
unsere Liebestöter vor seinen Kumpels in Schutz nimmt und sogar dann noch schmeichelnde Worte für uns findet, wenn wir in dieselben gehüllt vor ihm stehen. Mut zur Hässlichkeit ist gefragt! Denn Liebestöter sind vor allem eins: der eindrückliche Beweis dafür, dass wir uns selbst nicht allzu wichtig nehmen. Bridget Jones würde mir beipflichten.

Donnerstag, 6. August 2009

Die falsche Braut

amazonen_negativManche Leute machen sich einen Spass daraus, uneingeladen an einer Party zu erscheinen und zuerst die Bar und dann danach das Kuchenbuffet zu plündern. Die Amazonen haben sich für diesen Sommer einen viel besseren Zeitvertreib ausgedacht. Das Spiel heisst: „Tu so, als ob du Polterabend feiern würdest“ oder „Fake the Polterabend“. Schliesslich gibt es keine Regel, die besagt, dass man kurz vor der Vermählung stehen muss um sich einen Rausch anzutrinken und sich ungebührlich zu benehmen. Die Amazonen schaffen das auch ganz ohne baldige Limousinenfahrt mit Schleppe und langem Kleid!

Und so verabreden sich die Eremtitin, Kaktusblüte und Lockenkopf mit ein paar Freundinnen zu einem gestellten „Polteri“. Wer sich als Braut der Lächerlichkeit preis geben muss, wird an Ort und Stelle per Los entschieden. Sich mitten in der Innenstadt mit bemalten T-Shirts zum Deppen zu machen, ist befreiend und für einmal bekommt man dafür sogar noch Geld. Treffen wir auf andere Poltergruppen – an diesem Abend sehr zahlreich vorhanden – entsteht sogleich ein erhebendes Solidaritätsgefühl. Die unechte Braut spielt wunderbar mit und schwärmt in den buntesten Farben von ihrem Verlobten namens Massimo... der genauso unecht ist wie die Braut selbst.

Als wir gerade in einer Bar abtanzen, trifft Lockenkopf auf eine Schulfreundin aus früheren Tagen. Sie heiratet bald und hält in der gleichen Bar ihren Polterabend ab wie wir ­- einen echten, versteht sich. „Wer heiratet bei euch, etwa du?“, will sie wissen, woraufhin Lockenkopf ein bisschen zu schnell und zu vehement den Kopf schüttelt. Allein ihrem Losglück ist es zu verdanken, dass Lockenkopf der echten Braut nicht im Nachthemd und mit orangen Schwimmflügeli am Oberarm irgendwie glaubhaft machen musste, dass es im Moment zugegebenermassen ein bisschen danach aussehe, sie aber dennoch nicht vor habe zu heiraten...

Dienstag, 21. Juli 2009

Frauen telefonieren anders

amazonen_negativNirgendwo sonst im Alltag unterscheiden sich die Geschlechter so stark in ihrem Verhalten wie beim Telefonieren. Wenn Männer mit Männern telefonieren, besteht dieses Telefonat aus einem kurzen Wortwechsel, gefolgt von einem abrupten „ciao“.Maximale Gesprächsdauer: 3 Minuten. Ich denke an die Telefongespräche mit meinen Geschlechtsgenossinnen und stelle fest: Der Unterschied könnte grösser nicht sein.

Ein Telefongespräch unter Frauen dauert, und hier sprechen wir noch nicht von der Verabschiedung. Denn eine Verabschiedung unter Freundinnen ist keine blosse Verabschiedung, sondern ein Ritual. Ein Ritus, das durchaus monumentale Ausmasse annehmen kann. Da heisst es dann: «Also, okay, tschau, tschüss, mach’s gut…», und dann lässt sich Gesprächspartnerin Nummer eins nochmals zu einer Bemerkung hinreissen und ab geht’s in die nächste Runde, die wieder endet mit «also, okay, tschau, tschüss, mach’s gut, woraufhin Gesprächspartnerin zwei der letzte, aber dieses Mal ist es wirklich der letzte, Einschub einfällt… Eine Unsitte! Und noch dazu genetisch bedingt, versuchen die Eremitin und ich doch immer wieder, den langen Weg der Verabschiedung zu verkürzen – und scheitern kläglich.

Doch es gibt eine Erklärung dafür. Für Frauen bedeutet eine Verabschiedung immer gleich eine Art Trennung, die sie mit möglichst viel Zuwendung kompensieren müssen. Sehr wortreich möchten sie einander auf dem berühmten Beziehungsohr versichern, dass dieser Abschied nur eine Beendigung des Gesprächs ist und nicht etwa das Ende ihrer Freundschaft… kompliziert, würden Männer sagen.

Entsprechend schwierig gestaltet sich der geschlechterübergreifende Versuch eines Telefonats. Lockenkopf beschwert sich regelmässig darüber, dass ihr Freund immer so monoton redet am Telefon. „Zeig doch ein bisschen Emotionen!“, ruft sie dann aus. Und wehe, der Angebetete hinterlässt eine monotone Nachricht für sie auf dem Telefonbeantworter! Da muss er mit Sanktionen rechnen. Die Römerin hat ebenfalls resigniert, was Männer und das Telefonieren anbelangt, ihr trockener Kommentar: „Wir können nicht miteinander telefonieren.“ Hätte es im Paradies schon ein Telefon gegeben, die Menschheit wäre wohl längst ausgestorben.

Vielleicht sind nie enden wollende Telefongespräche so etwas wie die Essenz jeder richtig guten Frauenfreundschaft. Da kommt es auf die zehn bis fünfzehn Minuten, die so ein Abschiedsritual locker in Anspruch nimmt, doch wirklich nicht mehr an.

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