Reportagen

Donnerstag, 11. September 2008

Im Land des reinen Herzens

Indien zieht Lebenshungrige aus aller Welt an wie ein Magnet. Am tief greifendsten erfährt man das indische Leben als Rucksackreisender.

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Die Angst gehört dazu. Jeder hat Angst, der zum ersten Mal nach Indien reist. Indien gilt unter Rucksackreisenden als eines der am schwierigsten zu bereisenden Länder der Welt. «Du wirst es lieben oder hassen», wird dir prophezeit, und du findest das zutiefst Furcht einflössend und zugleich wahnsinnig aufregend. Der Hauptgrund für allfällige Hassgefühle ist meistens derselbe: Indien ist voller Menschen. Auf Indiens Strassen wuselt es wie in einem Ameisenhaufen, und jeder Ladenbesitzer versucht mit Hilfe von westlichen Touristen seine Tageseinnahmen aufzubessern. So findet man sich leicht von Händlern umringt und im wiederholten Male beteuernd, dass man wirklich nichts kaufen möchte. In Indien ist man nie allein.

Die Inder sind vielleicht das, was wir als «aufdringlich» bezeichnen würden, aber gerade deshalb ist es dafür auch spielend einfach, mit der Bevölkerung in Kontakt zu kommen. Inder sind herzlich und ehrlich neugierig auf dich und das Land, aus dem du stammst. Sie laden dich zum Chai ein, dem köstlichen indischen Tee, und plaudern mit dir über ihre Familie oder ihre Religion.

Reisende in regem Austausch

Seit Jahrzehnten zieht Indien lebenshungrige Rucksackreisende an wie ein Magnet. Unter «Lonely-Planet-Jüngern» herrscht deshalb ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl. Gerade weil gewisse Mysterien der indischen Kultur für Westler immer ein Geheimnis bleiben werden, bekommt der Austausch untereinander einen hohen Stellenwert. Fürsorglichkeit wird gross geschrieben. Ich habe zehn Tage im indischen Teil von Kaschmir mit Leuten aus England, Deutschland, Südkorea, Japan und Israel auf einem Hausboot verbracht und es als grosse Bereicherung erlebt, gemeinsam über die ersten Gehversuche in dieser fremden Kultur zu lachen. Natürlich gehört es auch dazu, sich über gewisse Eigenheiten des Gastlandes zu wundern, zum Beispiel, wenn simple Dinge wie Essen bestellen endlos kompliziert anmuten oder man wieder mal dauernd auf den nächsten Tag vertröstet wird. Denn auch das ist eine wichtige Lektion: In Indien dauert alles seine Zeit.

Ein guter Tipp bereits für die Reiseplanung ist deshalb: Wenn man nur begrenzt Zeit zur Verfügung hat, sollte man sich nicht zu viel vornehmen. Reisen als Rucksackreisender in Indien ist anstrengend, zudem müssen Pläne dauernd geändert werden. Ich habe auf meiner Reise jedenfalls niemanden angetroffen, der tatsächlich seiner ursprünglichen Reiseroute gefolgt wäre. Der Faktor Unbekannt ist in Indien wahrscheinlich grösser als andernorts, aber genau das macht Indien zu einem faszinierenden Rucksackreiseland. Dennoch braucht man weder ein Weltenbummler, ein Althippie oder ein Esoteriker zu sein, um die optimalen Reisevoraussetzungen für eine Indienreise mit zu bringen. Das Einzige, was man in sich tragen sollte, ist eine unvoreingenommene und neugierige Haltung anderen Menschen gegenüber. Indien ist so schrill, überraschend, vielfältig und widersprüchlich, wie es nur das Leben selbst sein kann. Und das schönste: Die Inder sind Menschen mit reinem Herzen. Man muss sie nur anlächeln, und alles an ihrem Körper öffnet sich zu einem einzigen grossen Strahlen.
Erschienen: Landbote, April 2006

Dienstag, 11. März 2008

Es liegt in deiner Hand

Die beiden Schwestern Sarina und Alexandra Nauer betreiben einen Onine-Erotik-Shop. Ihre Vibratoren und Dildos präsentieren die Jungunternehmeerinnen auch im privaten Rahmen - ganz ohne Obszönität und zweideutige Sprüche. Ein Abend ganz im Zeichen weiblichen Erotik.

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Gelächter erfüllt den Raum, die gemütliche Frauenrunde ist heute besonders ausgelassen. Eine Einladung zu einem Vibi-Abend erhält man schliesslich nicht alle Tage. Die fünf Freundinnen Mitte Zwanzig unterhalten sich angeregt. Nach den Plänen für den nächsten Tag befragt, witzelt eine: «Morgen? Morgen bin ich den ganzen Tag besetzt.» Die Neuanschaffung, die frau in Kürze machen wird, will schliesslich getestet sein.
Ein Abend ganz im Zeichen der weiblichen Erotik – nicht weniger als das versprechen Sarina und Alexandra Nauer auf der Website ihres Online-Erotik-Shops clicare.ch. Nach der Tradition von «Tupperware»-Partys moderieren sie auf Einladung einer Gastgeberin einen Abend unter Frauen, eine Auswahl ihres Sortiments im Gepäck. Bei Bedarf kann jede Frau sofort zugreifen und ihr Lieblingsobjekt käuflich erwerben – in einem intimen Rahmen unter Freundinnen sitzt die Hemmschwelle tiefer. Spezialisiert sind die Nauer Sisters auf ein wohlgeformtes batteriebetriebenes Stück Lust – den Vibrator.

Motor- oder Handbetrieb

Die zwei Schwestern haben es sich auf dem Fussboden bequem gemacht, zwischen sich eine grosse, praktisch verschliessbare Kiste, aus denen sie einzeln die Produkte hervorholen und in die Runde geben. Die Dinger werden von jeder Freundin einzeln angefasst, gedrückt und begutachtet. Die 30-jährige Alexandra und die 27-jährige Sarina erklären den Unterschied zwischen Vibrator und Dildo, der oftmals für Verwirrung sorgt: Ein Vibrator wird von einem kleinen Motor angetrieben, wogegen ein Dildo über keinen solchen verfügt, sozusagen handbetrieben ist. Benutzt man einen Vibrator, ohne den Motor in Gang zu setzen, wird er also faktisch zum Dildo… aber schön der Reihe nach.
Der Verkaufsschlager der zwei Schwestern ist «Layaspot», der zum Auflegen gedacht ist und nicht zum Einführen. «Noch dazu ist er absolut wasserdicht», betont Alexandra Nauer. Das nächste Objekt besticht durch seine Ästhetik: Ganz in schwarz, sieht dieser Auflegevibrator aus wie ein Stein oder eine Maus und würde sich auch als Dekor im Wohnzimmer gut machen. Unauffälligkeit ist das Gebot der Stunde, Frauen mögen es so. Das Urteil der Expertinnen: Für nur 29 Franken erfüllt er seinen Zweck.

Sarina und Alexandra Nauer haben clitcare.ch vor fünf Jahren als Online-Erotik-Shop übernommen. Sarina, die jüngere, war damals gerade mal 22. Das Ziel der beiden war es, Sexspielzeuge aus der Schmuddel-Ecke zu holen und Frauen dazu zu ermuntern, einen respektvollen und offenen Umgang mit der eigenen Sexualität zu leben. Bei der Auswahl ihrer Produkte legen die Nauer Sisters Wert auf ein stilvolles Design und 100%ige Hautverträglichkeit, ausserdem auf viel Diskretion: Die Pakete werden neutral verschickt, der Absender ist nicht erkennbar. Das Konzept hat wachsenden Erfolg: Die Schwestern verschicken derzeit wöchentlich ungefähr 20-35 Pakete, Tendenz steigend. Vor zwei bis drei Jahren waren es noch zirka 7-15 pro Woche.
Die enorme Vielfalt der Lust-Werkzeuge versetzt die Freundinnen in Staunen. Da gibt es muschelförmige, penisförmige oder s-förmige Modelle in allen möglichen Grössen und Farben – und Preisen. Die Kosten für einen Vibrator bewegen sich zwischen 30 und 230 Franken. Schon beinahe andächtig gehen die Produkte von Hand zu Hand, manche halten die Vibis an Wangenpartie oder Nacken, um die Vibrationsstärke zu testen. Die Handhabung hat manchmal auch ihre Tücken, denn das einfache Rädchen für die Bedienung eines Vibrators hat schon längst ausgedient. Die neuzeitlichen Vibi-Modelle haben ein Fadenkreuz für die Elektronik. Anhand dieses Schaltzentrums der Lust kann die Frau selber über verschiedene Tempi und Interwalle bestimmen. Die Taste fürs Ausschalten ist manchmal entsprechend schwer zu eruieren, und während die Mentorinnen fröhlich plaudern, haben die Partygäste Mühe, den vibrierenden Freund zum Stillstand zu bringen. Meistens beginnt er nur noch heftiger zu rotieren. Vibratoren sind multifunktionale Geräte geworden, an denen technisch versierte Männer wahrscheinlich ihre wahre Freude hätten.

Schlafzimmertest bestanden

Schlafzimmergeräusche sollen nicht klingen wie das Rasseln eines Traktorenmotors. Dies wissen auch die beiden Schwestern und legen daher grossen Wert auf Geräte mit einem niedrigen Geräuschpegel. Die Geschwister haben lange zusammen gewohnt und versichern: «Man hört wirklich nichts, da dringt noch eher ein kleiner Stöhner unter der Türe hindurch.» Die zwei jungen Frauen nehmen kein Blatt vor dem Mund und reden ganz offen über Solosex. Ihre eigene Experimentierfreude nimmt dabei kein Ende: Früher oder später würden sie die meisten der angebotenen Vibratoren selber testen. Das Lustobjekt «Gigi» beispielsweise ist der persönlich Favorit von Sarina Nauer. «Damit kann man alle möglichen Punkte erforschen, die ich vorher nicht kannte», gibt sie offen zu. Es wird aber auch gewarnt: «`Gigi` ist akkubetrieben – also nie das Aufladegerät zu Hause vergessen.» «Zur Not tut es aber auch das Aufladegerät des Nokia-Handys», meint Alexandra und erntet damit Gelächter.

Als eine der Freundinnen kurz aufs Klo verschwinden will, wird sie von den «clitcare»-Frauen aufgehalten. «Wart noch schnell. Du kannst etwas ausprobieren.» Sarina Nauer hält ihr eine Tube entgegen. «Klitorix» heisst die Crème, die im Intimbereich aufgetragen wird und anregend und pflegend wirkt. Kaum vom Klo zurückgekehrt, wird die Testerin mit Fragen durchlöchert: «Spürst du schon etwas?» Eine um die andere verschwindet auf dem Klo, um die Crème aufzutragen. «Wahrscheinlich werdet ihr nach ungefähr zwanzig Minuten ein Kribbeln spüren». Mit fragendem Blick schauen die Frauen in die Runde. «Ich spüre nichts», verkündet die erste und auch die restlichen Frauen schütteln den Kopf. «Wir müssen ja auch nicht mehr hier sein, wenn es zu kribbeln beginnt», meinen die Schwestern scherzhaft. Neben Vibratoren verkaufen die beiden Schwestern auch andere Sex Toys und Accessoires wie Dildos, Gleitcrèmes, Liebeskugeln, erotische Hörspiele und sogar Pornos.

Women only

Wie wohltuend unaufgeregt es zu und her gehen kann, wenn Frauen unter sich sind und eine Nachhilfestunde in Sachen Erotik auf dem Programm steht, zeigt das Beispiel von Sarina und Alexandra Nauer. Sie haben bereits «clitcare»-Abende durchgeführt mit Frauen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. Männern ist der Zugang dabei strikte untersagt. «Nicht weil wir etwas gegen Männer hätten, ganz im Gegenteil», sagen die beiden jungen Geschäftsführerinnen. «Aber wir finden, gewisse Dingen sollten Frauen nur für sich haben.» Als Feministinnen sehen sie sich weniger, ihnen liegt einfach etwas daran, Frauen zur Erkundung ihres Körpers zu ermuntern. «Letztlich kommt das natürlich auch immer dem Mann zugute.» Und Sarina fügt hinzu: «Die Sache sollte man nicht todernst nehmen – sich selbst hingegen schon.»

Nimm zwei

Die Suche nach dem perfekten Vibrator hat durch die fachkundige Beratung nur wenig Zeit in Anspruch genommen, Kaufentscheide sind schnell gefällt. «Ich gönne mir das – schliesslich ist so ein Vibi eine Investition für die Zukunft», meint eine der Freundinnen und die anderen stimmen ihr zu. Laut den beiden Expertinnen sollte jede Frau mindestens zwei Vibis besitzen – ein «Layaspot» und ein anderer. Die Geschwister vergleichen es mit Schuhen oder Taschen: «Die wechselt man auch nicht dauernd, aber ab und zu hat man Lust auf etwas Neues.» Und Alexandra Nauer fügt hinzu: «Besser man wechselt die Vibis als die Männer.» Gerade als die beiden zur Verabschiedung übergehen wollen, ertönt ein lautes Surren. Die Frauen halten einen kurzen Moment inne und schauen sich an. «War das dein Handy oder dein Vibi?».


Erschienen: Surpirse Strassenmagazin, 7. März 2008

Sonntag, 23. September 2007

Krishna's Love as a shelter

Masses of tourists – around three million every year - travel from Delhi to Agra to see the Taj Mahal. Right in between is a region which most of them miss. Braj is considered as «the eternal land of love», located very close to India’s symbol of Love – and nobody takes notice of it.

The chanting is something that captures you immediately. Entering Vrindavan at night, you can hear the Hare-Krishna-Mantra through the calmness of the night. «The chanting here happens 24 hours non-stop», explains a young English Krishna devotee from London at the Krishna Balaram temple the next day. He has wrapped a dhoti around his waist and a tilak is shining from his forehead. Early evening is the perfect time to visit this huge temple made of white marble. The sunlight dives the scenery in a warming atmosphere. In one corner, a group of woman in colourful saris is making garlands for the morning arati, other people are just gathering in the temple area, enjoying the music. The singing to the Lord in the hours of early evenings is called «Mangla». It happens every day one hour before sunrise because this is considered as the most auspicious time. In a way, the atmosphere is alike to an open-air-concert. People enter the temple and prostrate in front of the deity of Lord Krishna, some of them lie flat on the ground to praise their lord.

A young western woman is entering the temple wearing a very colourful dress. She is not walking towards the altar, she is actually running, her arms outstretched in the air. It’s a very joyful gesture, as if welcoming a friend who just reached home from very far. One young western is dancing, completely absorbed in his own world. Obviously, Krishna has the ability to initiate very strong feelings in his followers. But what exactly makes them feel this eternal bliss?

Home of Indian culture
According to the mythology, Lord Krishna came to earth around 5000 years ago. He could have chosen any other place, but he decided to come to Braj. The place is therefore culturally very well demarcated, but has never been a clearly defined political region in India. What even not many Indians know: Braj is not only Mathura and Vrindavan, it spans over 1500 villages and 5000 sq. kms.

Born in Mathura, Krishna later on moved to Vrindavan where he spent his childhood. On the riverbanks of Yamuna, he played pranks with his friends, the gopis, and stole butter from his mother. A small boy who is god at the same time – this is probably unique throughout all religions in the world. The very fact that Krishna lived and touched the earth makes it for Believers a holy place. The young English devotee says: «For me, this is very touching. Krishna could just run by, right in this moment». Twice a year he comes here to recharge his batteries. «This place is stuck in my heart forever».

Krishna is in the soil of Vrindavan. Braj is about how it all began. Thereby only few Hindus bother to question the historicity of Krishna, because there is no reason to believe that the events did not take place precisely in the way they are narrated in the scriptures. For the young London guy, the most beautiful thing of Vrindavan is the deities of the Krishna Balaram Temple: «If I look in their eyes, I see an ocean of mercy».

Fanning the deity
A deity is a form of the Lord, every temple has its own and unique deity. Vaishanvas – Hindus who follow God Vishnu and his atavars - are extremely attentive to the deities dress and overall appearance. Every day, they dress him up differently and give him food. The style and thickness of the garments vary according to the season. In some Ashrams, the caring doesn’t stop at the point of feeding and clothing him, it goes even beyond: Krishna feels hot in the summer heat, so the devotees work in shifts and fan the deity - from April to October, from morning till night. This is one thing that one must understand: The deities are not an image of God, they literally ARE God.

Alouk is a young Indian who lives in Jodphur and came for a day trip to Vrindavan. He’s not a Krishna follower per se, «but all Indians adore Krishna». Vaishnavas make up approximately 70% of the total of all followers of Hinduism. Pointing to a man playing the Harmonium he says: «I appreciate the way the singer is involved in his singing. You can easily make out he’s a foreigner, but the impression on his face shows he’s obviously feeling something about Krishna – maybe even more than me».

The most successful propagator of Vaishnavism in the West was A.C Baktivedant Swami, among devotees called Prabhupad. He founded the International Society for Krishna Consciousness (ISCKON), in the west known as «The Hare Krishnas». Prabhupad stressed ritual practices like the Mangla rather than emotionalism because he believed the latter to be too advanced for western people. He himself lived in Vrindavan and built the Krishna Balaram temple 1975.

A relationship with God
Prabhupads story of success continuous: 23-year-old Eccaradha joined ISCKON three years ago. Since one year, she is initiated, means her Guru gave her a devotional name. Wrapped in a blue sari, it’s obvious that she already slightly drifted away from the world she used to belong to. She’s Italian but comes to India as much as possible. Krishna has also left traces on her face: She’s smiling and one could think she just fell in love. From all the expressions you could think of, «boyfriend» is probably the most convenient to describe the status she has given to Krishna. Kidding with a young Brajwasi, she turns down his invitation for dinner because she doesn’t want to neglect Gokul (Krishna). Her belief that people of Vindavan are happier than elsewhere is strong: «If you have a relationship with God, you can’t be sad».

Kishore Das Baba is born in Vrindavan and will die here. «I burnt my life with this earth like a fire». Together with around 150 rishis he lives in an Ashram with lush green trees, yellow windows and doors, the main material to walk on is sand. Rishis devote their lives to Krishna without any conditions. They are Hindu Saints, originally divinely inspired singers or poets. They don’t have a family or left it earlier in their lives. Kishore Das only wears dhoti, his upper part of the body is naked. Around his neck he wears a necklace out of Tulsi beads. In a poetic language, he declares: «Braj is the ocean; Mathura the Lotus flower and Vrindavan «makrant», the smelling part just below the Lotus flower. And Krishna is the honeybee who sucks the flowers». His speaking and gestures are theatrically; his eyes are almost rolling out of the eyehole. A child most likely would start crying by looking at him. His words stress the love he feels for this place and the playfulness of Lord Krishna. Krishna doesn’t want to dwell on one flower, he want to try different ones. Kishore Das adds: «Braj is god’s playground».

Krishna as father figure
Govinda sits in the corner of the ISCKON temple and helps making the garlands with her swift fingers. She loves flowers. Her first few months in Vrindavan are deep fixed in her memory. She used to pick the tulsi leaves from the trees as a service to the Lord and deep inside, she could feel something is changing. «It was a feeling of having found something very meaningful to my life». Since the tulsi service, 16 years passed and she still has not left Vrindavan. Making the garlands is her service to worship Krishna nowadays, and this would give her so much energy. The 46-years old considers Krishna as a divine father and his associate Radha as the sweet mother who is always very kind to her children. She mentions that she has a 14 year old son who goes to the Gurukul school just next to the temple. «Sometimes, he’s playing soccer with Krishna».

Among the locals, the ISCKON temple is only known as the «angrayz mandir», the temple of the white people. In the lives of the Brajwasis and Brajbonitas, Krishna plays a slightly different role. Praveen Bagag is 19 years old. His family is settled in Vrindavan since the 8th generation. All Praveen knows about Krishna he learnt from his parents. He lives a spiritual life, is a pure vegetarian, but still he has to work to earn his living. «The foreigners who come here have more time to do the chanting. That makes our environment more pure». The relation between the foreigners and the Brajwasis has always been good, because there is a common ground. Brajwasis are generally very proud of belonging to this place, and the awareness of Vaishnava culture is very deep. Praveen: «If the children here learn how to speak, the first thing they get taught is not how to address their parents. The first words they learn are Radhe, Radhe to address God».

In Vrindavan, everything seems to revolve around the same epicentre. Like the earth revolves around the sun and the flowers turn towards the sunlight, everyone is spiritually focused on Lord Krishna. By chanting God’s name, the people are constantly reminded of the importance of Lord Krishna. It is the centralisation of their energies towards something superior, and they all share it, they are all a part of it. As kids we used to ask our best friends to write something in friendship books and stick in a photo. This practise was all about reassuring each other that we were part of a group, that we belonged, that we weren’t alone. In Krishna’s home city, the devotees are among themselves and live their lives under the shelter of Krishna’s love. And if they talk about this love, they may also talk about the strength of togetherness which the Vaishnava community gives them. According to the circle of life, Krishna adjusts in different roles: A Rishi uses Lord Krishna as his source of inspiration, a young woman wishes to have a boyfriend with whom she can experience adventures, a woman in her 40ies looks for some solace of a father figure and a 14-year old more than anything else wants to have a soccer mate. Krishna has the ability to serve all these needs because he’s a many-sided, opalescent personality. «Love is very wide», as one rishi puts it in word. Maybe Krishna is nothing else than the energy on the very short way between the two of us.

published in: Consecration N° 4 (volume 3) Jul/Aug 2007

Freitag, 17. August 2007

Rebellion auf Sparflamme

Eine Vertreterin der alten Partygeneration erlebt gemeinsam mit einem Grünschnabel die «Streetparade». Ein Bericht von der Front.

Frauen im Häschenkostüm oder mit angeklebten Engelsflügeln bevölkern den Hauptbahnhof in Zürich. Ein Schliessfach zu finden, ist um zwei Uhr nachmittags bereits ein aussichtsloses Unterfangen. Unnötigen Ballast dabei haben will an der Strassenparade niemand. Möglichst frei und unbeschwert möchte man sein, aber dennoch nichts dem Zufall überlassen. Wird das Outfit sitzen? Wer darf wohin mit, und wer nicht? Zum ersten Mal beschleicht mich der Gedanke, dass das Techno-Fest für den typischen Raver eine organisatorische Herausforderung darstellt.

Wenig später treffe ich mich mit Deborave und Nortechna am Stadelhofen. Die beiden sind Mitte zwanzig. Nortechna stammt von der «old party generation», während Deborave in dieser Hinsicht noch völlig unerfahren ist. Ihr Ziel ist es, sich davon mitreissen zu lassen. Nortechna war in ihren Teenager-Jahren ein Raver-Girl. Begeistert erzählt sie von den Turnschuhen, die sie auf einen Holzklotz geklebt hat und silbrig angemalt hat. «Ich konnte mir damals ja keine Buffalo-Schuhe leisten», fügt sie erklärend hinzu. Sie beschreibt das Gefühl, das sie damals an den Umzügen empfand: «Es kribbelt in einem drin, in der Masse fühlt man sich stark und der Bass stellt einem den Herzrhythmus um». Deborave möchte unbedingt, dass ich das Wort Anabolikawunder in meinem Text erwähne. Die Muskelbepackten sind an diesem Nachmittag tatsächlich die ersten, die sich ausziehen.
Mit suchendem Blick geht ein älterer Mann mit langen blonden durch die Menge. Er ist nur mit einem String bekleidet, seine vielen Tätowierungen hat er alle rosarot eingekreist. Deborave amüsiert sich über seinen Anblick. Zwei Türkinnen mit Kopftuch spazieren mit unbeeindruckter Miene vorbei. Was sie wohl von diesem bunten Treiben denken?

Drei Monate Planung

Ohne Outfit an die Strassenparade zu gehen, käme für vier 18-jährige Frauen nicht in Frage. Sie sind als Politessen verkleidet, die Plüsch-Handschellen dürfen genauso wenig fehlen wie die Plastik-Pistolen. Eine der Politessen zaubert ein Höschen aus dem weissen Politessen-Stiefel. «Meine Stiefel sind eben zu breit», lacht sie. Sie sind gern Teil der Strassenparade, weil die Leute so offen sind. «Man lernt viele Leute kennen», sagen sie. Da ihr Outfit so gut ankommt, sind sie schon oft fotografiert und angesprochen worden. Ob sie sich lange vorbereitet hätten? «Nein, nicht so», lautet die Antwort der Oberstufenschülerinnen aus Hausen am Albis. Also zwei Tage? «Ungefähr zwei Wochen», lautet die Antwort. Später erzählt mir ein Raver, dass er jeweils drei Monate vorher mit der Planung für die «Streetparade» beginnt.

Die Lust am Anderssein

Als die Sonne durch die Wolken bricht, tauchen endlich die ersten Love Mobiles auf. «Züriiiiiiiiiiii!», schreit ein Speaker. «Wenn man hinter dem Wagen herläuft, spürt man den Bass am Besten», sagt Nortechna aus Erfahrung. Also los, hinein in die Menge. Wir kämpfen uns durch und schliessen uns dem Zug an, der sich nur langsam fortbewegt. Wir tanzen. Wir versuchen uns mitreissen zu lassen. Wie war das jetzt gleich nochmals mit den Herzrhythmusstörungen? Bald haben wir genug und retten uns wieder an den Strassenrand. Deborave und Nortechna geraten ins Grübeln. «Es ist die Lust, am Anderssein», sagt Nortechna. «Doch die Rebellion ist so inszeniert und unspontan, dass es fast schon wieder spiessig ist», fügt Deborave an. Mit Mitte zwanzig ist es für sie zum Einsteigen vielleicht einfach zu spät. Und für Nortechna gehört diese Zeit wohl nun endgültig der Vergangenheit an.

Erschienen im "Landbote", 13. August 2007

Montag, 9. Juli 2007

Mit dem «Köpfler» ins Traumkleid

Die Qual der Wahl: Die Suche nach einem Brautkleid ist emotional und zeitintensiv.

In Tüll gehüllt, mit Krönchen und Schleier vor den Altar zu schreiten, aufrecht und leuchtend: Die klassische Vorstellung vom Traumhochzeit kennt kein Verfallsdatum. Eine ganz besondere Rolle spielt dabei das Kleid der Braut, denn obwohl zwei Personen sich das Ja-Wort geben, steht die Braut stärker im Mittelpunkt als ihr männliches Gegenstück. Trotzdem: Nicht für jede Frau ist das wuchtige «Sissi-Modell» geeignet. Ein Besuch bei der Modeberaterin kann hier Alternativen bieten, ist aber nichts für schwache Nerven: Er dürfte gut und gerne drei Stunden in Anspruch nehmen. Ein Erfahrungsbericht.

Der Raum im ersten Stock ist hell, Königssatin und Tüll an der Kleiderstange und der grosse Spiegel mit den Lämpchen verströmen den Charme einer Theatergarderobe. In diesem Raum an der Stadthausstrasse werden Woche für Woche Frauen in Bräute verwandelt. «Bei uns tritt jede Frau schön aus dem Laden», ist Modeberaterin Uschi Graf überzeugt. Die Boutique «MS Braut und Festkleider» existiert sein zehn Jahren. Geschäftsführerin Marianne Sporer und ihre rechte Hand Uschi Graf «kleiden ihre Töchter ein», wie sie selbst sagen. Meistens sind sie daher zu zweit, wenn sie sich mit der zukünftigen Vermählten und deren Entourage wie Mutter, Schwester oder Freundin in den Ankleideraum im oberen Stock zurückziehen. So etwas wie eine Umkleidekabine gibt es hier nicht, «wir sind ja unter uns», sagt Uschi Graf und sucht einen Reifunterrock heraus. Die Journalistin und ihre Freundin sind zwar beide noch weit entfernt von der Lebensphase der Ehe-Planung, versuchsweise spielen sie aber gerne angehende Braut und Brautführerin.

90 Prozent tragen Eierschale

Bei einer Beratung fragt Uschi Graf als erstes nach dem Hochzeitsdatum. Das gibt ihr einen Anhaltspunkt über die noch zur Verfügung stehende Zeit. Drei bis vier Monate Lieferfrist sind durchaus keine Seltenheit, denn in den meisten Fällen wird das Kleid erst genäht, nachdem es in Auftrag gegeben wurde. Uschi Graf reicht der Freundin den Reifunterrock, in den sie schlüpfen soll. So ein Unterrock hat bis zu drei Reifen eingenäht, um der Frau eine optimale Beinfreiheit zu gewährleisten. Dann kommt die berühmte Verkäufer-Frage «Was haben Sie sich in etwa vorgestellt?» Uschi Grafs Erfahrung zeigt, dass 90 Prozent ihrer Kundinnen sich für ein Kleid in naturweiss entscheiden (auch off-weight oder Eierschale) und nur 10 Prozent für ein schneeweisses. Auch die Freundin bevorzugt Eierschale, weitere Adjektive sind «schlicht» und «nicht zu verschnörkelt». Die Modeberaterin nickt und macht sich an der Kleiderstange zu schaffen. Ihr Anliegen ist es, dass die Kundin sich nicht verkleidet fühlt, «möglichst natürlich», lautet die Devise. «Das Kleid soll die Ausstrahlung der Kundin unterstützen, sie soll nicht aussehen wie ein Christbaum», umschreibt sie es. Innert kürzester Zeit sind fünf ziemlich verschiedene Modelle herausgesucht. Bei relativ kleinen Frauen ist es wichtig, dass das Kleid nicht zu wuchtig ist, sodass es sie nicht zu stark in den Boden drückt. «Welches Kleid spricht Sie an?» fragt Uschi Graf dann. Die Freundin entscheidet sich für ein ganz schlichtes. Kostenpunkt: 1280 Franken. Nun geht es ans Anprobieren. Uschi Graf rafft den Stoff beim Ausschnitt zusammen, weist die Freundin an, die Arme über dem Kopf zu halten wie beim «Köpfler» und streift ihr das Kleid über. Der Blick an sich herunter. Dann die Umdrehung zum Spiegel. Ein ungewohnter Anblick.

Jugendsünden wollen abgedeckt werden

«Zuerst ist es fremd», weiss die Modeberaterin. «Doch wenn die Frau das zweite oder dritte Kleid anprobiert hat, hat sich das Auge daran gewöhnt». Das Kleid ist zu gross, weswegen Uschi Graf auf der Rückseite einige Nadeln befestigt. Weil das Kleid zu lang ist, wird die Freundin angewiesen, auf ein kleines Podest zu steigen. So lässt sich feststellen, ob der Stoff schön fällt. Ein Hochzeitskleid sollte so lang sein, dass zwischen Saum und Boden gerade noch ein Finger Platz hat. Oftmals sind die Beraterinnen auch gefordert, wenn es darum geht, Jugendsünden wie Tätowierungen abzudecken. Uschi Graf gibt zwar jeder Kundin zu Bedenken, dass die Tätowierung zu ihr gehöre und die Hochzeitsgäste sie nicht anders kennen würden, «aber manche Frauen finden es unpassend». Das zweite Kleid hat Blumenstickereien, damit sieht die Freundin «lieblicher» aus, so die Modeberaterin. Erstaunlich, wie unterschiedlich Kleider wirken können. Das dritte hat Blumenärmel und einen Herz-Ausschnitt. «Romantik pur», urteilt die Modeberaterin. Obschon die Freundin kein verschnörkeltes Kleid wollte: Romantik gefällt. Uschi Graf ist nicht überrascht: «Viele kommen mit einem ganz anderen Kleid hier raus als sie sich vorgestellt hatten». Getragen sieht ein Brautkleid nun mal einfach anders aus als auf dem Kleiderbügel. Nachdem alle fünf Kleider anprobiert worden sind, geht man über zur ersten Selektion: Jetzt stehen noch drei zur Auswahl, die nochmals durchprobiert werden.

Leuchten von innen heraus

Die Frage nach Accessoires kommt in einem zweiten Schritt. Schleier? Diadem? Ein glitzerndes Diadem ist der Freundin etwas zu viel des Guten, besser hingegen gefallen ihr die sogenannten Curler, kleine Schmuck-Accessoires, die ins Haar eingedreht werden. Graf: «Meistens ist es so, dass die Frau spürt, wann ein Kleid zu ihr passt. Manche fangen richtig an zu leuchten». Uschi Graf pflegt dann jeweils zu sagen: «Jetzt haben wir die Schweinwerfer angestellt».

Erschienen am 25. Feb 2006 im Hochzeits-Sonderbund des Landbote

Besten Dank an Kaktusblüte für dieses tolle Experiment!

Heidi invited by an Himachali King

The opportunity comes out of the blue but sounds too inviting to turn down: A Swiss girl is sent to Himachal Pradesh, also known as the «Indian Switzerland», to stay with a local king.

The beautiful mountainside is astonishing, and with the blue and cloudless sky below me, I can’t help to think of my own country. The sleepy villages, the forests, the calmness…Every moment I expect Heidi crossing my way. The same kind of ambiance inspired the Swiss author Johanna Spyri 1880 to write the world famous children story about the orphan girl Heidi who is sent to live with her grandfather on the alp.

And this is what irritates me: I have been told that a king family still lives in this remote Himalayan mountain area. In Switzerland with its deep democratic roots, empires belong to the world of fairy tales. This is not part of my concept at all. Heidi is bouncing bare-footed in the lush green meadow; her nature is simple and a little naïve. There’s nothing royal about her at all, her behaviour is everything but not aristocratic, and she lives in an alp cottage and not in a palace. It’s hard to believe that in this innocent Heidi atmosphere, a kingdom does exist. Will they wear royal dresses with a crown and ride horses and sleep in huge beds like in my childhood books? DSCN3774

Vikram Sen, the current king of Junga, welcomes me in front of his beautiful wooden palace. He laughs that his moustache almost touches his nose. He is dressed in ordinary jeans and sweater and instead of riding a horse, he drives a cute red car. But if someone thinks Vikram Sen is a ordinary guy in ordinary jeans, he’s definitely wrong. When Vikram Sen drives his car through the only street of the village, the villagers on the sides bow their heads in the moment they recognise the king. More than obviously, he is respected by his people a lot. Maybe Junga is only a small village with a few hundred habitants of not big importance. Maybe the king drives through the capital of his kingdom by car in less than three minutes. But still it’s a kingdom. And its ruler is Raja Vikram Sen himself.

Raja Vikram Sen got the throne after his father died in 2002. He is the 103rd king who rules the State of Keonthal in District Shimla, Himachal Pradesh. In the old days, Junga used to be the capital of 22 small states, today, it’s the capital of the few surrounding villages. From the sundeck of the palace, the king has a great view over the valley, his kingdom. Secretly, I’m watching out for the throne, but I can’t find it. Instead, Vikram Sen shows me a huge wooden door which contains a safe. Are there all the treasures of the kingdom inside? The only who knows the code to the safe is the Raja himself.
«The life of a princess is simple», explain his 12-year old daughter Sunandanee later on. She likes sports and spends all her day outside in the fresh air, even in winter time the meals are taken outside on the sundeck. This is a paradise for children, no doubt. The family usually sits around the bonfire in the evenings, they don’t use the gas heater, «because the bonfire is better for health». Next to the palace, they have their own cows which give them milk. Every lunch they drink lassie and the milk moustache which remains on their mouths proofs how healthy their lives is.wooden palace junga

There is no doubt: The nature-loving Heidi, who is sent to her aunt in the city and hates the stiff atmosphere there, would like the simple life of this king family of Keonthal. No stiffness, less royalty, but masses of nature.

Dienstag, 3. Juli 2007

Innerer Dialog mit dem Weiblichen

K.S Radhakrishnan ist ein indischer Bildhauer von internationalem Ruf. In seinem Werk finden sich zwei Figuren, die immer wieder kehren: Musui und Maiya. Bei der Kreation der beiden kam er ganz ohne geschlechtertypische Rollen aus. Ein Gespräch.

Der Rauschebart ist so etwas wie sein Markenzeichen. Der Bart ist inzwischen ergraut, doch die Güte im Gesicht bleibt. K.S Radhakrishnan ist einer der renommiertesten indischen Plastiker der Gegenwart. Doch der gemütliche Mann Mitte fünfzig kommt ganz ohne Starallüren aus. In seinem Büro in Delhi bietet er uns sofort Tee an, den köstlichen indischen Chai, und lehnt sich gemütlich in seinem Stuhl zurück. Im Vorzimmer mussten wir uns zuerst durch einen richtigen «Wald» voller Bronze-Figuren kämpfen. Die Plastiken sind filigran, als Schweizerin erinnern sie mich an Giacometti.

Zwei Figuren prägen K.S Radhakrishnans Werk: Er nennt sie Musui und Maiya - Maiya ist die Frau, und Musui der Mann – vereinfacht gesagt. Der Schöpfer der Kreaturen kann mit dieser Kategorisierung jedoch nicht viel anfangen. «In jedem von uns steckt eine Maiya», ist er überzeugt. Und genauso stecke auch in jedem Mensch ein Musui. Er war gerade mal achtzehn Jahre alt, als Musui in sein Leben trat. Radhakrishna
Er hat diese Geschichte sicher schon oft erzählen müssen. Doch er tut es immer noch gern, das ist ihm anzumerken: Der Mann, nach dessen Vorbild später Musui entstand, war ein Bettler in einem kleinen Stammesdorf nahe Santiniketan, Ostindien. Radhakrishnan besass ein Motorrad, und so lud er ihn spontan ein, auf dem Hintersitz Platz zu nehmen. Gemeinsam fuhren sie in Radhakrishnans Atelier, wo der junge Mann ihm Modell stand. Der Künstler entlöhnte sein Modell nach getaner Arbeit mit ein paar Münzen. Als sie sich später wieder trafen, hatte der junge Mann sich den Kopf rasiert – mit dem Geld, das Radhakrishnan ihm gegeben hatte. Das berührte den Künstler sehr. «Er hatte eine natürliche Eleganz und einen Ausdruck von Unschuld und Ehrlichkeit. Diese Eigenschaften erleuchteten ihn von innen», lässt Radhakrishnan sich später in der Zeitung „The Hindu“ zitieren. Dieses Schlüsselerlebnis prägte sein weiteres künstlerisches Schaffen. Auch die berühmte Plastik eines Rikschaziehers entsteht später nach Musuis Vorbild. Radhakrishnan: «Musui war kein Rikschazieher, aber er war eine perfekte menschliche Existenz, der in sich selbst ruht und das Leben leicht nimmt», so Radhakrishnan.

Figuren als alter Ego
Diese Leichtfüssigkeit, die er an Musui beschreibt, ist auch beim Künstler selbst wieder zu finden. Man könnte es auch Sanftheit nennen. Der sanfte Künstler, der mit einem so harten Material wie Bronze arbeitet. Für ihn sei dieses Erlebnis die erste Begegnung mit seinem männlichen Selbst gewesen. «Zärtlichkeit ist eine Stärke in einem Mann», so Radhakrishnan. In den dreissig Jahren an der Seite von Musui ist dieser so etwas wie sein alter Ego geworden. Doch fast noch liebevoller spricht er von der anderen Figur, Maiya, welche in den 90er Jahren entstand und Musui’s Gegenstück ist. Maiya als PfostenDenn zunehmend beschlich ihn das Gefühl, dass Musui irgendwie unvollständig ist. Und so schuf er Maiya. Maiya ist weise und unabhängig im Geist. Von Beruf ist sie Schriftstellerin. Maiya ist so etwas wie die weibliche Seite von Radhakrishnan. «Oft führe ich innere Dialoge mit der Maiya in mir», lacht er. Der Künstler lässt seine zwei Hauptdarsteller in verschiedene Rollen und Existenzen schlüpfen: Musui ist mal der Mullah, mal der Jesus am Kreuz, Maiya wird Säule, Windmühle, Engel oder Pfeil und Bogen. Ein bisschen scheint es fast so, als wäre Maiya die wandelbarere der zwei Figuren. «Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Musui als Pfeil und Bogen zu machen», sagt Radhakrishnan. «Pfeil und Bogen muss für mich Maiya sein». Radhakrishnans Rollenverständnis ist weit weg von irgendwelchen Geschlechterkonventionen. Die beiden Figuren gehören zusammen, sind eins und doch verschieden. Gemeinsam ist ihnen aber das Spielerische. «Beide sind fähig, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen», sagt er. Und der Respekt füreinander sei beiden enorm wichtig. Ausserhalb Indiens hat Radhakrishnan vor allem in Frankreich grossen Erfolg mit seinen Skulpturen. Alljährlich zieht es ihn in ein kleines französisches Dorf, um sich in Ruhe seiner Kunst zu widmen. «Und Sie, sprechen Sie auch manchmal mit Ihrer männliche Seite?», fragt er unvermittelt. Radhakrishnans Werk ist eine Einladung, das Leben spielerisch zu betrachten – und das eigene Rollenverständnis gründlich zu überdenken.

Veröffentlicht auf dem Indien-Portal www.theinder.de

Donnerstag, 21. Juni 2007

Generation Ally im Aufwind

Die kultige Frauenserie Sex and the City macht seit Februar auch in der Schweiz Furore. Der Zürcher Club Q hat den Trend erkannt und lädt zu sinnlicher Schönheit –vor allem zu Werbezwecken, wie es scheint.

Der Empfang ist herzlich. Adrett gekleidete Frauen mit Schmollmund zieren den Eingang und fragen säuselnd: Haben Sie reserviert? In Windeseile klärt man die Ankömmlinge über das vielfältige Angebot auf: Dort drüben Pedi-und Manicure, auf jener Insel dort wird die Frau geschminkt und in der anderen Ecke nimmt man sich ihrer Haarpracht an – alles umsonst. Das Plakat am Eingang des Club Q im Zürcher Seefeld verspricht Verheissungsvolles: ….Women only!

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Seit die neue Staffel der amerikanischen Frauen-Kultserie auch wieder in der Schweiz angelaufen ist, setzt der Zürcher Klub auf die älteste Form des Verführens: Die Verwöhnung. Und tatsächlich, der Rundum-Service lässt Frauenherzen höher schlagen: Männer mit nackten Oberkörpern, nur bekleidet mit blütenweissen Shorts, servieren bunte Drinks, überall stehen Schüsseln voll von leckeren Schokobällchen, es gibt günstige Zigaretten zu kaufen und bequeme Plüschsofas laden zum Chillen ein. Die Sofas allerdings sind nur für bereits erfahrene Frauen gedacht, die ihre Reservation frühzeitig getätigt haben. Jungfräuliche Sex-and-the-City-Party-Gängerinnen werden gebeten, auf unbequemen Holzbänken hinter den Sofas Platz zu nehmen. Der dienende Mann ist sofort zur Stelle, allzeit bereit, jeden erdenklichen Wunsch von den Augen der Frau abzulesen. Vielleicht doch lieber die Karte.

Busenfreundinnen unter sich
Prominent im Zentrum des Raumes sind zwei Grossleinwände angebracht. Hier werden in ein paar Minuten Details aus dem Leben der vier New Yorker Freundinnen Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha über die Mattscheibe flimmern. Die vier Frauen verdienen gutes Geld, lieben schöne Kleider, besuchen regelmässig Manhattans aufregendste Partys und vor allem sind sie eines: Singles. Während die berufstätige und Alleinerziehende Miranda sich ihrer Wirkung auf Männer kaum mehr bewusst ist, hat Samantha Mühe, sich die Namen ihrer Affären zu merken. Charlotte ist vor allem niedlich und ein bisschen naiv und Carrie, der eigentlichen Hauptdarstellerin, kommt die Aufgabe zu, erzählend den roten Faden zwischen den Frauen in der Geschichte zu spinnen. Die unterschiedlichen Charaktere sind nicht etwa zufällig gewählt. In dieser Soap ist für jeden Geschmack etwas dabei, schliesslich sollte sich jede Zuschauerin mit einer der Figuren identifizieren können – und ganz nebenbei auch noch die Fantasien der Männer zum blühen bringen. Das Kalkül scheint aufzugehen: Die Sendung hat weltweit einen einschlägigen Erfolg.
Unterdessen sind es nur noch wenige Minuten bis Viertel nach Neun. Eine Ex-Miss-Schweiz und zwei Mitorganisatorinnen treten vor und begrüssen offiziell die ganze Frauenschar zum Happening. Nach der kleinen Einführung will auch noch die lange Liste der Sponsoren vorgelesen werden. So schlecht wie die Moderation ist nur noch der Sitzkomfort in der hintersten Reihe. Als die bekannte Musik ertönt, heisst es Lichterlöschen. Die Spannung steigt. Wie wird es vier New Yorkerinnen heute ergehen? Im Dunkeln lässt sich normalerweise gut munkeln, nicht aber in diesem Saal: Es ist mucksmäuschenstill. Ungefähr hundert vornehmlich junge Frauen verfolgen gespannt das Alltagsleben unserer vier Freundinnen. Als Carrie mit ihrem Freund Burger streitet und er beschliesst, sich ein paar Tage Zeit zu nehmen um ihre Beziehung zu überdenken, geht ein empörtes Raunen durch die Menge. Hilfesuchender Blick bei anderen Sex-and-the-City-Jungfrauen. Als Burger nach der Bedenkzeit dann doch wieder in Carries Schoss zurückkehrt, füllt sich der Saal mit Jubelgeschrei. So viel zum Thema Frauensolidarität. Die Werbepause wird auch im Club Q für Reklame verwendet. Niemand hört zu. Während die Missen noch werben, geht die Fortsetzung bereits weiter. Die Geduld des hart gesottenen Fans findet ein jähes Ende: Eilig räumen die Missen das Feld. Nach kurzweiligen 45 Minuten findet der Spuk sein Ende. Wieder heisst es eine ganze Woche warten bis zum nächsten Dienstag. Nach der Serie lässt man den Abend noch gemütlich ausklingen, der eine oder andere Drink wird serviert, am Ausgang werden Rosen verteilt. Ein letzter Griff in den Pott voller Schokolade lässt Figurbewusste mit ungläubigem Gesichtsausdruck zurück. Für den Heimweg, Schätzchen.

Nov 2005, unveröffentlicht

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Chalid al-Chamissi
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