Schlawinerinnen

Freitag, 3. August 2007

Schlawinerinnen unter sich

Lockenkopf, Kaktusblüte, die Römerin und der Eremit bezeichnen meine vier Freundinnen, mit denen ich bereits durch dick und dünn gegangen bin. Wir kennen uns seit unserer Schulzeit, die Römerin, der Eremit und ich sind uns sogar schon im Sandkastenalter begegnet. Wir haben schon alles Erdenkliche an Freud und Leid miteinander geteilt, wir haben zusammen gefeiert, getanzt, geweint, gefaulenzt, Verrücktheiten gelebt, Luftschlösser gebaut, wir sind zusammen gereist und wir haben viel, viel gelacht. Alle vier sind einzigartig, alle vier sind Persönlichkeiten. Ich wollte immer schon eine Kolumne schreiben, die etwas über sie aussagt, ihnen gerecht wird, doch das Unterfangen hat sich als aussichtslos erwiesen. Deshalb beschloss ich eines schönen Tages, dass nur ein längeres Projekt ihnen und ihrem Stellenwert in meinem Leben Rechnung tragen kann. So ganz nach dem Prinzip, dass ein Buch die Antwort ist auf eine Frage, die sich kürzer einfach nicht beantworten lässt. Die Kolumnenreihe «Schlawinerin» soll durch kleine Alltagsgeschichten eine Annäherung wagen an vier wunderbare Frauen, die Heldinnen des Alltags sind. Der frauenspezifische Aspekt liegt mir sehr am Herzen, weil ich glaube, dass die kurzen Geschichten einen sehr weiblichen Blick auf das Leben gewähren – zumindest auf das, was ich unter Weiblichkeit verstehe. Natürlich wäre es mein Herzenswunsch, daraus eines Tages ein Buch entstehen zu lassen. Gewidmet meinen vier allerbesten Freundinnen.

Die Namen, die ich für sie gewählt habe, sind alle fiktiv und trotzdem möchte ich es nicht unterlassen, sie kurz einzuführen:

Kaktusblüte hat ihren Namen einem Geburtstagsgeschenk meiner Freundinnen zu verdanken. Da meine Unfähigkeit, Zimmerpflänzchen zu pflegen, berühmt-berüchtigt ist, haben meine Frauen mir vor einigen Jahren eine ganze Heerschar von Kaktuspflanzen zum Geburtstag geschenkt und eine Art «Wettrennen» daran geknüpft. Jede einzelne der Kakteen trug den Namen einer Person unseres damaligen Freundeskreises. Wer es am längsten bei mir aushielte, würde das Unmögliche vollbracht haben. Von den zirka neun Kakteenpflänzchen hat nur ein einziges überlebt: Dasjenige von Kaktusblüte eben. Während ich diese Zeilen hier schreibe, steht es neben meinem Computer und wächst und wächst – trotz widrigen, wasserlosen Bedingungen. Und ich glaube, diese Eigenschaft hat Kaktusblüte auch im richtigen Leben: Sie ist zäh, eine «Chrampferin», obschon sie eigentlich gar nicht so aussieht. Es steckt viel Überraschendes in ihr. Manchmal ist sie ganz leise, und plötzlich vertritt sie ihre Meinung laut und vehement. Ich liebe es, ihr zuzuhören, wenn sie Witze erzählt.

Die Römerin heisst nicht nur so, weil sie Rom und die italienische Sprache liebt. Die Römerin ist eine stolze Frau, nur schon ihr aufrechter Gang zeugt davon. In vieler Hinsicht passt dieser Name zu ihr. Sie ist impulsiv, lässt ihren Gefühlen freien Lauf. Die Römerin hat einen wachen Geist und einen scharfen Verstand. Sie sieht den Dingen geradewegs auf den Grund und bringt sie meisterhaft auf den Punk. Sie hat den unbestechlichen Blick, ist kreativ und hat einen Sinn fürs Schöne.

Lockenkopf ist der Wildfang in der Gruppe, sie ist hedonistisch, unglaublich heiter und redselig und immer zu einem Streich bereit. Sie hat Energie für zehn und ist faul, ohne es nur einen Moment verbergen zu wollen. Sie ist meine Geschichtenlieferantin, weil sie eine gute Beobachterin ist und schöne Geschichten an jeder Strassenecke aufsammelt und sich zu Eigen macht. Lockenkopf ist keine Wundertüte, dafür ist sie zu durchschaubar, doch sie ist wie eine dieser Riesenpackungen Smarties - oder ein erfrischender Regen an einem Spätsommerabend.

Der Name des Eremits geht auf eine meiner Kolumnen im «Bieler Tagblatt» zurück. Darin hatte ich mich einmal über Singles ausgelassen, die sich allzu ausschliesslich über ihren Partner definieren. Zu Jesus’ Zeiten hatten Eremiten eine ganz wichtige Stellung in der Dorfgemeinschaft inne. Sie als unverheiratete Männer hatten den Auftrag, Ehepartner in ehelichen Auseinandersetzungen zu beraten. Sie waren dazu befähigt, weil sie gewisse Dinge aus der Distanz auf sich wirken lassen konnten. Die Geschichte der Eremiten hatte meine Freundin damals beeindruckt und das nicht ohne Grund: Sie findet sich darin wieder, weil sie ihre Freiheit liebt, einen unabhängigen Geist hat und weise ist, ohne missionarisch zu sein. Sie setzt sich gerne mit Kultur, Wissen und Religion auseinander, hat eine grosse Menschenkenntnis und ein grosses Einfühlungsvermögen. Der Eremit ist chaotisch und liebt das Improvisieren.

«Schlawinerinnen» heisst die Kolumnenreihe – weil die Geschichten die Verrücktheiten des Lebens, des Jungseins und des Frauseins widerspiegeln. Sie repräsentieren letztlich ein Lebensgefühl.


21. Juni 2007

Montag, 23. Juli 2007

Raus mit den Familien-Kolumnisten

Kolumnisten schreiben immer über ihre ganz persönliche Erlebenswelt. In Schweizer Kolumnen-Spalten gibt’s daher eine Tramkolumne («20 Minuten», ehemaliger Journalist ist jetzt Tramlokführer), eine Gartenkolumne («Annabelle») oder eine Wander-Kolumne («Weltwoche»). Der grössere Teil aber, so scheint, wird von der Spezies der Familien-Kolumnisten bevölkert. Bänz Friedli zum Beispiel, der selbst ernannte «Hausmann der Nation». Natürlich musste wieder ein Mann kommen, damit Wäsche waschen und Kinder betreuen eine Aufwertung erfährt. Kaum macht’s ein Mann, wird’s zum Kult. Das stinkt doch zum Himmel. Das Pendant in der «Coop Zeitung» heisst «Schreiber vs. Schneider», ein unverheiratetes Journalisten-Paar (das Konkubinats-Verhältnis ist aber auch schon der einzige Aspekt an ihrem Lebensentwurf, der nicht konservativ ist) mit zwei kleinen Kindern, die in der «Coop Zeitung» über den Beziehungsknatsch oder Kindereien schreiben. Ja, die kleinen Alltagsepisoden sind ganz nett. Doch sind wir ehrlich: Diese Gschichtli ereignen sich doch zu Tausenden an Schweizer Familientischen. Vielleicht kann es für den Leser reizvoll sein, sich darin wieder zu erkennen. Aber auch dieser Effekt hält nicht für ewig. Und dann werden diese aufgedrängten und seichten Einblicke in den familiären Alltag einfach nur noch langweilig. Will man in der Zeitung wirklich nochmals vorgekaut bekommen, womit man sich tagaus, tagein abzukämpfen hat? Wenn man mit fettigen Haaren in einer unaufgeräumten Küche sitzt, hilft auch der heiter- gelassene Blick auf das Dasein als Familienfrau nicht mehr weiter. Dann möchte man ausbrechen, unvernünftig sein, mit knallroten Absatzschuhen auf eine Bergwanderung gehen und dabei noch elegant aussehen, mit den Freundinnen auf den Putz hauen oder dann zumindest die Abenteuergeschichten der Ella Maillart lesen. Was Bänz Friedli zum Thema Waschmaschine meint, interessiert dann herzlich wenig. Bisher fehlte eine Kolumne, die das «spezifisch Weibliche» herauszuschälen versucht aus der Alltagswelt.

Und genau deshalb gibt’s neu die «Amazonen»-Kolumne auf tink.ch.

Coming soon… ab 31. Juli 2007 auf www.tink.ch

Montag, 2. Juli 2007

Papa Römerin und das Sonnenblumenfeld

Sonnenblumen sind Sommerfreuden. Und so staunte ich auch nicht schlecht, als ich diese Woche bei den Eltern der Römerin war, um etwas abzuholen. Vor dem Wohnzimmerfenster von Papa und Mama Römerin breitet sich nämlich frontal ein riesiges Sonnenblumenfeld aus wie ein Teppich. Sonnenblumen, so weit das Auge reicht. Der Anblick war fantastisch. Ein Sonnenblumenfeld vor das Haus gepflanzt zu bekommen, das ist wie ein Sechser im Lotto. Schliesslich kann man sich einen ganzen Sommer lang daran erfreuen. Dieses gelb, dass so erfrischend ist wie ein laues Sommerwindchen – oder so grell, dass es blendet, wenn die Sonne im Zenit steht, wie mich Papa Römerin aufklärte. Offenbar reicht meine Fantasie wieder mal nicht aus, um mir all den Konsequenzen eines hauseigenen Sonnenblumenfels bewusst zu werden. Und Insekten? Insekten zieht es sicher auch an. Bienen, die den letzten Honig aus den Blütenkammern pressen wollen. Und erst wenn das Feld gemäht wird! Was für ein dunkler Tag muss das sein. Mein Neid ist schon nicht mehr ganz so gross. Ich erinnere mich an schwarze, den Kopf herab hängende, „tote Sonneblumen“, die ich auf einer Reise in Biel gesehen habe. Ein untröstliches Zeichen für den nahenden Winter. Noch schlimmer als sich versammelnde Schwalben oder fallende Blätter. Mein Neid schwindet jetzt im Sekundentakt.

Zwar habe ich kein ganzes Feld vor dem Fenster, aber immerhin ein Kistchen mit Sonnenblumen. Ich giesse sie jeden Tag, lasse sie gedeihen und wenn Erntezeit ist, kann ich sie in einer Vase stellen oder sie meinen Liebsten schenken. Wenn die Pflanzen hinüber sind, kostet es mich nicht ganz so viel Kraft, das Kistchen voller Erde zu entsorgen. Ich werde vielleicht ein bisschen in eine missmutige Stimmung geraten, doch allzu sehr wird es mir nicht zusetzen. Ich muss auch nicht jedes Mal eine Sonnenbrille aufsetzen, wenn ich an einem sonnigen Tag Zeitung lesen will, und von einer Insektenplage werde ich auch verschont. Wie heisst diese Plage schon wieder, dieser Brand, der die Pflanzen angreift? Feuerbrand? Kann der sich etwa auch auf Sonnenblumen übertragen? Und wäre das etwa gefährlich für meine Katze? Überhaupt könnte sich eine Katze sicher leicht in einem Sonnenblumenfeld verhaken oder sich verirren und nicht mehr raus finden und verhungern oder verdursten. Uff, bin ich froh, dass ich kein Sonnenblumenfeld vor dem Fenster habe.

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