Schlawinerinnen unter sich

Lockenkopf, Kaktusblüte, die Römerin und der Eremit bezeichnen meine vier Freundinnen, mit denen ich bereits durch dick und dünn gegangen bin. Wir kennen uns seit unserer Schulzeit, die Römerin, der Eremit und ich sind uns sogar schon im Sandkastenalter begegnet. Wir haben schon alles Erdenkliche an Freud und Leid miteinander geteilt, wir haben zusammen gefeiert, getanzt, geweint, gefaulenzt, Verrücktheiten gelebt, Luftschlösser gebaut, wir sind zusammen gereist und wir haben viel, viel gelacht. Alle vier sind einzigartig, alle vier sind Persönlichkeiten. Ich wollte immer schon eine Kolumne schreiben, die etwas über sie aussagt, ihnen gerecht wird, doch das Unterfangen hat sich als aussichtslos erwiesen. Deshalb beschloss ich eines schönen Tages, dass nur ein längeres Projekt ihnen und ihrem Stellenwert in meinem Leben Rechnung tragen kann. So ganz nach dem Prinzip, dass ein Buch die Antwort ist auf eine Frage, die sich kürzer einfach nicht beantworten lässt. Die Kolumnenreihe «Schlawinerin» soll durch kleine Alltagsgeschichten eine Annäherung wagen an vier wunderbare Frauen, die Heldinnen des Alltags sind. Der frauenspezifische Aspekt liegt mir sehr am Herzen, weil ich glaube, dass die kurzen Geschichten einen sehr weiblichen Blick auf das Leben gewähren – zumindest auf das, was ich unter Weiblichkeit verstehe. Natürlich wäre es mein Herzenswunsch, daraus eines Tages ein Buch entstehen zu lassen. Gewidmet meinen vier allerbesten Freundinnen.

Die Namen, die ich für sie gewählt habe, sind alle fiktiv und trotzdem möchte ich es nicht unterlassen, sie kurz einzuführen:

Kaktusblüte hat ihren Namen einem Geburtstagsgeschenk meiner Freundinnen zu verdanken. Da meine Unfähigkeit, Zimmerpflänzchen zu pflegen, berühmt-berüchtigt ist, haben meine Frauen mir vor einigen Jahren eine ganze Heerschar von Kaktuspflanzen zum Geburtstag geschenkt und eine Art «Wettrennen» daran geknüpft. Jede einzelne der Kakteen trug den Namen einer Person unseres damaligen Freundeskreises. Wer es am längsten bei mir aushielte, würde das Unmögliche vollbracht haben. Von den zirka neun Kakteenpflänzchen hat nur ein einziges überlebt: Dasjenige von Kaktusblüte eben. Während ich diese Zeilen hier schreibe, steht es neben meinem Computer und wächst und wächst – trotz widrigen, wasserlosen Bedingungen. Und ich glaube, diese Eigenschaft hat Kaktusblüte auch im richtigen Leben: Sie ist zäh, eine «Chrampferin», obschon sie eigentlich gar nicht so aussieht. Es steckt viel Überraschendes in ihr. Manchmal ist sie ganz leise, und plötzlich vertritt sie ihre Meinung laut und vehement. Ich liebe es, ihr zuzuhören, wenn sie Witze erzählt.

Die Römerin heisst nicht nur so, weil sie Rom und die italienische Sprache liebt. Die Römerin ist eine stolze Frau, nur schon ihr aufrechter Gang zeugt davon. In vieler Hinsicht passt dieser Name zu ihr. Sie ist impulsiv, lässt ihren Gefühlen freien Lauf. Die Römerin hat einen wachen Geist und einen scharfen Verstand. Sie sieht den Dingen geradewegs auf den Grund und bringt sie meisterhaft auf den Punk. Sie hat den unbestechlichen Blick, ist kreativ und hat einen Sinn fürs Schöne.

Lockenkopf ist der Wildfang in der Gruppe, sie ist hedonistisch, unglaublich heiter und redselig und immer zu einem Streich bereit. Sie hat Energie für zehn und ist faul, ohne es nur einen Moment verbergen zu wollen. Sie ist meine Geschichtenlieferantin, weil sie eine gute Beobachterin ist und schöne Geschichten an jeder Strassenecke aufsammelt und sich zu Eigen macht. Lockenkopf ist keine Wundertüte, dafür ist sie zu durchschaubar, doch sie ist wie eine dieser Riesenpackungen Smarties - oder ein erfrischender Regen an einem Spätsommerabend.

Der Name des Eremits geht auf eine meiner Kolumnen im «Bieler Tagblatt» zurück. Darin hatte ich mich einmal über Singles ausgelassen, die sich allzu ausschliesslich über ihren Partner definieren. Zu Jesus’ Zeiten hatten Eremiten eine ganz wichtige Stellung in der Dorfgemeinschaft inne. Sie als unverheiratete Männer hatten den Auftrag, Ehepartner in ehelichen Auseinandersetzungen zu beraten. Sie waren dazu befähigt, weil sie gewisse Dinge aus der Distanz auf sich wirken lassen konnten. Die Geschichte der Eremiten hatte meine Freundin damals beeindruckt und das nicht ohne Grund: Sie findet sich darin wieder, weil sie ihre Freiheit liebt, einen unabhängigen Geist hat und weise ist, ohne missionarisch zu sein. Sie setzt sich gerne mit Kultur, Wissen und Religion auseinander, hat eine grosse Menschenkenntnis und ein grosses Einfühlungsvermögen. Der Eremit ist chaotisch und liebt das Improvisieren.

«Schlawinerinnen» heisst die Kolumnenreihe – weil die Geschichten die Verrücktheiten des Lebens, des Jungseins und des Frauseins widerspiegeln. Sie repräsentieren letztlich ein Lebensgefühl.


21. Juni 2007

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