Die Figaro-Phobie

Ich bin umgeben von Wässerchen und Püderchen und harre meinem Schicksal. Da kommt sie auf mich zu, eine eigenwillige Haarpracht schmückt ihr Haupt. Mit einem Strahlen empfängt sie mich in ihrem Reich. «Diese Frau hat keine Ahnung, wie es gerade in mir drin aussieht», denke ich. Wie sollte sie auch? Das Phänomen der Spritzenphobie ist allgemein anerkannt. Die Assistentinnen beim Arzt wissen darum, sie fragen nach, genau für solche Fälle sind sie ausgebildet. Ich lasse jede Impfung ohne mit der Wimper zu zucken über mich ergehen, spende regelmässig Blut, spitze Nadeln oder Spritzen ängstigen mich nicht. Doch wenn ich einen Coiffeur-Salon betrete, sammelt sich der Angstschweiss in meinen Achselhöhlen. Es dauert Monate, bis ich mich zu einem Termin durchringen kann. Die Hälfte der Zeit verbringe ich damit, nach einem geeigneten Salon zu fahnden. «Cut and Color», der Mac Donalds des Coiffeur-Gewerbes, soll es dieses Mal sein: Nur eine halbe Stunde ist pro Schnitt eingerechnet, föhnen muss man selber. Perfekt für meine Bedürfnisse, denn eine halbe Stunde ist hoffentlich zu kurz für ein belangloses Coiffeusen-Gespräch. Die überflüssigsten Gespräche werden wohl mit Abstand auf dem Coiffeurstuhl geführt. Aber es ist nicht nur der Smalltalk, der mich stört. Die Berufsgattung des Haareschneidens wird allgemein unterschätzt, haben sie mit ihren Zickzack-Scheren doch eine ungeheure Macht in ihren Händen: Sie bestimmen darüber, wie du in den nächsten Wochen und Monaten durch die Gegend laufen wirst. Eine neue Frisur ist wie eine Tätowierung: Hat man sie einmal, ist sie nicht mehr so leicht zu entfernen. Zumindest für ein paar Monate. Die Coiffeusen scheinen sich dieser Problematik bewusst zu sein und fassen dich und deine Haare nur mit Samthandschuhen an, was meine Angstzustände noch verstärkt. Dadurch verliere ich jegliches Vertrauen in ihre Kompetenz und die Nässe unter meinen Armen breitet sich noch mehr aus. In solchen Momenten wünsche ich mir, so diskret behandelt zu werden wie ein vermögender Bankkunde. Ich möchte mich nicht verschwestern, ich brauche nur eine neue Frisur. Die nette Dame mit der eigenwilligen Haarpracht führt die Schere zwar nicht gerade wie ein Florett, aber sie schweigt und macht ein solides Handwerk. Die halbe Stunde ist schnell vorbei. Als mir später der Wind meine neue Frisur verweht, bin ich glücklich: Das ist ja nochmal gut gegangen! Nein, harmlos ist so ein Haare lassen nicht.

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