Dienstag, 14. Oktober 2008

Das Ende der Romantik

Die Amazone sinniert über Liebesszenen in Filmen und warum unsere Erinnerung manchmal trügt.

amazonen_illustration_rot Magische Augenblicke haben ein langes Leben. Noch Jahre später haften sie in unserer Erinnerung. Bei Filmen verhält es sich ganz ähnlich: Meistens ist es nicht der ganze Film, der uns in Erinnerung bleibt, sondern einzelne Sequenzen daraus. Manche Szenen gehen uns so unter die Haut, dass sie uns fast ein bisschen «gehören». Sie erreichen Kultstatus, werden zu etwas mit einer Geschichte und bleiben im Freundinnen-Kollektivgedächtnis haften – bis jetzt und in alle Ewigkeit. Unter den Amazonen ist das zum Beispiel bei der Schlussszene in «Notting Hill» der Fall, als er ihr auf der Parkbank aus einem Buch vorliest, ihr Kopf ist auf seinen Schoss gebettet. Oder die Hebefigur-Szene im Film «Dirty Dancing» – ein absoluter Klassiker! Da schmelzen wir reihenweise dahin – immer und immer wieder. Das ist das Schöne an Filmszenen: Anders als magische Momente im eigenen Leben lassen sich Filmszenen auf Knopfdruck wiederholen.

Auch im Film «Ghost» mit Patrick Swazey und Demi Moore gibt es eine solche Szene. «Die Töpferszene!», schwärmen Kaktusblüte und ich und schmelzen schon beim Gedanken an die Töpferszene dahin wie der Tonkrug auf der Töpferscheibe, der beim Liebesspiel des Paares in sich zusammen fällt. Ultimativ erotisch. Ein Sinneserlebnis der dritten Art. Per SMS lasse ich die Freundin wissen: «Ich schaue mir heute Abend 'Ghost' an. Mit der Töpferzene!» Zufrieden male ich mir aus, wie meine Freundin bei Erhalt meiner Botschaft gedanklich in Begeisterungsstürme ausbrechen wird.

Wie angekündigt mache ich es mir also mit mir selbst gemütlich, kuschle mich in meine Bettdecke und harre voller Erwartung dem, das da kommen wird. An die Handlung des Films habe ich keinerlei Erinnerung mehr, doch die Töpferszene zeichnet sich glasklar vor meinem inneren Auge ab. Zumindest glaube ich das. Eine Viertelstunde nach Filmstart sitze ich wie ein begossener Pudel vor dem Fernsehgerät und fühle mich um das Vorspiel betrogen. Viel zu früh flimmerte die vermeintliche Kult-Szene über die Mattscheibe, und ich hatte gar keine Gelegenheit, mich vor Vorfreude zu überschlagen. Ausserdem ist sie, man kann es nicht anders sagen, ein bisschen gar zahm. Als ich der Eremitin am nächsten Tag mein Leid klage («die waren ja nicht mal ganz ausgezogen!»), meint sie trocken: «Du bist einfach verdorbener geworden.» Ich lache kurz auf und muss im nächsten Momente zugeben, dass sie wohl Recht hat. Seit Kaktusblüte und ich den Film gesehen haben, sind wohl doch einige Jährchen verstrichen. Ein Trost hat mein desillusionierendes Erlebnis: Ich amüsiere mich dieses Mal prächtig über Whoopi Goldberg, die eine Hellseherin spielt und im katastrophalen Deux-Pièce mit ihrem typischen Dackelgang über die Strassen New Yorks watschelt. Es ist beruhigend zu wissen, dass ich in den letzten Jahren vielleicht gewisse romantische Idealvorstellungen eingebüsst, aber dafür wenigstens an Humor gewonnen habe!

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