Montag, 21. Juni 2010

Randolph

Randolph sass in seinem Korbstuhl im Garten, er hatte sich einen Sarong um die Hüften geschlungen. Oben trug er ein marineblaues Hemd. Er liess den Blick über sein Anwesen streifen, aus der Ferne drangen Tierlaute an sein Ohr. Zufrieden lächelnd schenkte er sich Whiskey nach, leise klirrten die Eiswürfel im Glas. Ja, er hatte sich wirklich etwas aufgebaut mit dieser Farm. Und nun sollte ihm alles genommen werden. Morgen würden die Bulldozer auffahren.
«Randolph?» Eine asiatische Schönheit trat aus dem Haus, in ein Seidenkleid gehüllt, die langen dunklen Haare trug sie offen. Sie trat näher zu ihm heran, einige Haarsträhnen berührten leicht seine Schultern. «Was machst du hier draussen, so ganz alleine?» Randolph seufzte. «Ich weiss nicht. Ich sinniere.» Er dachte an all die rauschenden Feste, die er gemeinsam mit Freunden in diesem Garten gefeiert hatte. Randolph hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, alle paar Monate eine Handvoll Freunde einzuladen. Hier draussen im Busch hatten seine Cocktail-Partys längst einen festen Platz im sozialen Leben der paar Menschen, die sich diesen verlassenen Landstrich für ihr Leben ausgesucht hatten. «Ein soziales Grossereignis», murmelte er vor sich hin. Und plötzlich standen ihm Tränen in den Augen.
Elaine schien die Geduld zu verlieren. «Komm zurück ins Bett», schnurrte sie. Seit Randolph sich die junge Philipinin ins Haus geholt hatte, war einiges in seinem Leben in Schieflage geraten. Nachdem seine Frau von seiner Liebschaft Wind bekommen hatte, hatte sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihm den Ehebruch zum Verhängnis zu machen. Dabei lebten er und seine Frau schon lange getrennt. Doch im rückständigen Tansania waren die Gesetze anders, seine Frau zog vor Gericht und gewann. Randolph musste ihr das Anwesen als Schadenersatz überlassen, so entschied es das Gericht, plus eine Summe Bargeld in erheblicher Höhe als Abfindung.
Morgen würde Randoph nicht nur plötzlich ein mittelloser, fünfzigjähriger Weisser sein, sondern schlagartig auch seines sozialen Status beraubt. Denn was war ein Farmbesitzer ohne seine Farm? Behäbig stemmte er sich aus dem Sessel, sein fülliger Leib schränkte ihn in seiner Bewegungsfreiheit ein. Barfuss schritt er über den gepflegten englischen Rasen, der in der Abenddämmerung glitzerte. Die Grashalme kitzelten ihn an den Fusssohlen. Bald würde es ganz dunkel sein. Sein Haus stand auf einer Anhöhe, rund herum war das Gelände abfallend. Bloss ein Zaun trennte ihn von den wilden Schakalen, die ihn nachts mit ihrem Geheule beinahe um den Verstand brachten. Randolph drehte sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass Elaine zurück ins Haus gegangen war. Viel Zeit hatte er nicht. Er musste handeln. Und zwar jetzt.

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