Dienstag, 29. Juni 2010

Randolph: Hinaus in die Welt

Randolph war stets gerne gereist. Er empfand es als belebend, und mit einem riesigen Schatz an Farben, Geschichten und Gerüchten kehrte er jeweils nach Hause zurück. Kaum hatte er seinen Koffer im Flur abgestellt, nahm er im Kopf bereits die Planung für seine nächste Reise in Angriff. «Wenn das Reisen doch nur zu meinem Beruf machen könnte!», hatte er mehr als nur einmal geseufzt. Seine Eltern hingegen schüttelten den Kopf über ihren herumvagabundierenden Sohn, sie fürchteten um Randolphs guten Ruf, sein «streunern», wie sie es nannten, konnte kein gutes Ende nehmen. Eines Tages packte Randolph ein paar Wechselklamotten in einen brauen Lederkoffer, schloss die Tür hinter sich und bestieg den nächsten Zug nach Triest. Randolph war entschlossen, seinen Traum zu leben, er wollte Erfahrungen machen, die Welt sehen, er wollte alles Neue und Fremdartige mit offenen Armen Willkommen heissen, ja er wollte LEBEN!

Die erste Ernüchterung nach seiner Ankunft in Triest liess nicht lange auf sich warten. Fremde Zungen redeten auf ihn ein, von denen er kein Wort verstand, es war backofenglutheiss und die Gassen stanken zum Himmel. Und erst der Hafen! Der Hafen von Triest war ein Hort von Frivolitäten und Exzessen. Randolph, eben erst der Provinz entkommen, schaute ungläubig dem wilden Treiben am Hafen zu. Waren wurden ein- und ausgeladen, exotische Tiere wie Papageien oder Schlangen standen auf dem Schwarzmarkt zum Verkauf, bärtige Matrosen versoffen ihre Heuer in nur einem Abend, Huren bezirzten die willigen Rückkehrer, die mit müden Augen und schwankenden Schrittes durch die Hafengässchen wankten. Die Matrosen schienen ein Volk von Gefallenen zu sein, und Randolph befand sich mitten unter ihnen. Klamm wurde ihm ums Herz. Sein Vater hätte ihn geradewegs enterbt, hätte er ihn unter dieser Meute gewusst. Randolph konnte sich gerade noch ein kleines, schäbiges Zimmerchen in einer heruntergekommenen Pension leisten. Durch das kleine Fenster hatte er Blick auf den Golf von Triest und den grenzenlosen Horizont. Heimweh packte ihn, Heimweh nach dem Vertrauten und dem Gefühl, die Kontrolle über sich und sein Leben zu haben. In den Kleidern legte er sich aufs Bett und schlief sofort ein, der Schlaf forderte sein Recht, trotz des Kummers in seinem Herzen. Seine Situation verbesserte sich erst, als er ein paar Tage darauf Heinrich kennen lernte. Heinrich war Deutscher und ging schon seit zwanzig Jahren auf See. Er war ein richtiger Seebär und sah auch dementsprechend aus. Heinrich lehrte Randolph alles, was man über das Matrosenleben wissen musste.

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