Die sieben Zentimeter

Wir stapfen also weiter durch den Schnee und finden tatsächlich noch ein warmes Plätzchen für den Moment des Champagnerknallens. Als die Uhr Mitternacht anzeigt, fallen wir uns stürmisch um den Hals, uns von ganzem Herzen alles Gute wünschend. Danach ist mir etwas feierlich zumute. Und anstatt meine Weiblichkeit mit sieben Zentimeter hohen Absätzen Ausdruck zu verleihen, beschliesse ich, mir sieben süsse Zentimeter der anderen Art zu gönnen. «Ich lasse mir jetzt am Automaten einen Taschenvibrator raus», verkünde ich meinen Freundinnen in feierlichem Tonfall und rutsche enthusiastisch von meinem Barhocker. Auf ein vibrierendes neues Jahr!
Als ich den Automaten im Untergeschoss der Säuferbar anpeile, stehen da bereits zwei Frauen, die sich angeregt unterhalten. Ich denke bereits daran, meine Mission auf später zu verschieben, weil ich mich ein klitzekleines bisschen geniere. Doch dann beschliesse ich, zu meinem Bedürfnis zu stehen und fasse mir ein Herz. ICH KAUFE MIR HEUTE NACHT EINEN VIBRATOR, wiederhole ich innerlich mein Mantra, füttere den Automaten mit zwei Fünfliberstücken, als ich feststellen muss, dass dieser Automat kein Rückgeld gibt. Anstatt acht Franken zahle ich deren zehn. Aber was soll’s, schliesslich ist heute Silvester und vielleicht ist meine Neuanschaffung ja eine echte Investition. Mit grösster Sorgfalt wähle ich die richtige Taste, schliesslich will ich kein Kondom, was in diesem Automaten ebenfalls erhältlich wäre, nein, ich will einen TOY BOY. Die zwei Frauen, die sich nun über meinen Kopf hinweg unterhalten müssen, nehmen keine Notiz von mir. Ohne Unterlass plappern sie weiter. Und gerade, als ich das Päckchen aus dem Fach nehmen und verduften will, kommt eine junge Frau die Treppe herunter und verkündet lautstark: «Dä muess huere geil si, mini Fründin hät dä glich!» Es war eine meiner aufregenderen Silvesternächte.
Eduschka - 20. Sep, 10:49