Alltägliches auf den Punkt gebracht

Edith Truninger aus Dinhard hat ein Buch mit 50 «Amazonengeschichten» herausgegeben. Die Hommage an ihre Freundinnen erzählt von Lebensabschnittsmöbeln, Ritualen und emotionalen Rettungsmanövern am Sonntag.

DINHARD - Sie feiern Polterabend und brauchen dazu keine Hochzeit, sie verschenken eine selbstgebastelte Sonne, wenn die echte oder jene im Herzen gerade nicht scheint; und sie empfinden eine Art Heimatgefühl, wenn in den Ferien in Indien unerwartet plötzlich Norah Jones aus einem Lautsprecher dringt.
Kaktusblüte, Römerin, Eremitin und Lockenkopf - so nennt Edith Truninger (27) aus Dinhard ihre vier Freundinnen. Ihnen hat sie ein ganzes Buch mit Kürzestgeschichten gewidmet. Gemeinsam lachen die fünf jungen Frauen um die 25 über die Liebesbriefe ihrer Verflossenen. Sie fürchten sich davor, sich eines Tages in der Beziehung zu langweilen und es daran zu erkennen, dass sie mit ihrem Partner Tatort schauen. Die Gesellschaft der fürsorglichen Freundinnen hilft über das emotionale Tief am Sonntag kurz nach einer Trennung.

Zwanghaft Oberweite fixiert
Manchmal lachen sie über sich selbst. Etwa dann, wenn eine im Café zwanghaft auf den Busen einer andern Frau starren muss. Oder wenn eine andere, nicht nur Sammlerin von Liebesbriefen, beinahe handgreiflich wird, um ein begehrtes Stück Wurzelholz an der Picknickfeuerstelle vor den Flammen zu retten.
Das Nachdenken über Geschlechtsunterschiede, gute Beziehungen, und die Frage, wonach Frauen streben - ein bisschen erinnert das an Kolumnistin Carrie Bradshaw aus «Sex and the City», die mit ihrem reflektierenden Beschrieb ihres unsteten Liebeslebens beiläufig und auf unterhaltsame Weise den Zeitgeist porträtiert. Zynisch wie unter datenden New Yorker Stadtmenschen geht es in Truningers Geschichten aber nicht zu und her. Im Gegenteil: Stets ist ihr Blick auf die Freundinnen betont liebevoll. Und männliches Verhalten, wo es überhaupt thematisiert wird, erscheint eher als fremdartig denn als fragwürdig.
«Eine gute Kolumne bringt etwas auf den Punkt, was die Leser aus ihrem Alltag kennen, selbst aber nicht so klar hätten formulieren können», sagt Truninger. Sie habe etwas schreiben wollen, mit dem sich junge Frauen identifizieren können. Ortsbezeichnungen liess sie aus diesem Grund extra weg - dies auch deshalb, um einen provinziellen Beigeschmack zu vermeiden.
Truninger will unterhalten, aber nicht nur. Ihr Erstling soll durchaus auch zum Nachdenken anregen - allerdings nicht auf moralische, sondern auf leichte Art. Es seien denn auch nicht die allerschwersten Themen, die sie behandle, sondern Müsterchen der Alltagsphilosophie. Die Länge der einzelnen Geschichten, maximal zwei Taschenbuchseiten, habe sie bewusst sehr kurz gehalten: «Ich will auch Leute ansprechen, die nicht die grossen Leser sind. Es gibt ja Menschen, die haben Angst vor einem Buch mit 200 Seiten.» Ihre rund 100 Seiten umfassende Geschichtensammlung eigne sich auch gut als Geschenk.
Bereits ist ein nächstes Buchprojekt in Planung, eine einzige, längere Geschichte. «Etwas über den Flughafen» werde es sein, sagt die Autorin, die teilzeitlich als Passagierbegleiterin am Flughafen arbeitet. Um schwerverdaulichen Stoff werde es sich auch diesmal nicht handeln - vielleicht werde die Geschichte etwas weniger heiter ausfallen - dafür etwas träumerischer.
Den aktuellen Geschichtenband kann man als beiläufige Betrachtung der Freundschaft an sich lesen: Rituale, gemeinsame Erinnerungen und geteilte Bewertungen festigen das unsichtbare Band. Der Preis für diese Bindung ist ein gewisser Konformitätsdruck- wer zu private Erinnerungen einbringt, auf welche die anderen nicht zugreifen können, wird von der Gruppe sanft gebremst. So wird nebenbei die freundschaftliche Gratwanderung zwischen individuell und konventionell, das Oszillieren zwischen einer Spur Neid und viel Mitgefühl, spürbar.

«Generation Projekt»
Die Protagonistinnen, so könnte man zudem deuten, sind Vertreterinnen der «Generation Projekt»; in ihren Wohnungen stehen Lebensabschnittsmöbel, (sie schlafen auf dem Bettsofa und träumen von der freistehenden Füsschenbadewanne in der Altbauwohnung); in Job und Privatleben ändert sich alles immer wieder, so wird der Freundeskreis zur wichtigen Konstante.

Schlawiner wurden Amazonen
Der Kreis der Freundinnen, das sei eine Wahlfamilie, sagt Truninger, die sich, sieht man von den Namen ab, in der Schilderung eng an die realen Situationen und Verhältnisse gehalten hat. «Schlawinerinnen-Geschichten», so hätte sie die Kolumnensammlung ursprünglich nennen wollen. Eine Redaktorin der Jugendplattform tink.ch, auf welcher ein Grossteil der Kolumnen zunächst erschienen war, fand das zu harmlos. So wurden schliesslich «Amazonengeschichten» daraus.
«Amazonen, das sind für mich primär unabhängige Frauen», so Truninger. Ganz von den Männern abkoppeln, entsprechend der antiken Vorstellung der Amazone, wolle sich aber keine von ihnen. Vielleicht spiele da sogar ein gewisses Wunschdenken mit: «Ich wäre vielleicht gern noch freiheitsliebender, doch im Grunde meines Herzens bin ich wohl eher ein Beziehungsmensch.»
lUELI ABT

Erschienen am 3.2.2010 im "Landbote"

OUT NOW: KUGELBOMBEN UND KAFFEE bestellbar unter buchstabenbazaar@gmail.com

Kugelbombenu-Kaffee_cover

IMPRESSUM

edith.truninger(at)gmail.com Copyright für alle Texte bei der Autorin

Schreiben...

...ist für den Schriftsteller immer die beste aller Möglichkeiten. unbekannt

AKTUELLE BEITRÄGE

Nice website
Nice website
shanayabindra - 23. Mai, 09:13
Ich hatte auch schon...
Ich hatte auch schon einige erste Dates, die nichts...
Jan (Gast) - 31. Dez, 15:13
Neue Website
Please visit my new website under www.edithtruninger.ch
Eduschka - 18. Aug, 20:35
Oh ja... Ich habe eine...
Oh ja... Ich habe eine vierwöchige Reise durch Indien...
Jan Rojenfeld - 15. Aug, 13:51
Revolution
Mein Zuckerwattenverkäufer Neug ier ist eine gute Eigenschaft....
Eduschka - 25. Mai, 12:23
Being 28
Wellen. Brandung. Rückzug Kurz nach dem 11. September...
Eduschka - 25. Mai, 10:40
Besser leben mit...
Frühstück bei Tiffany (Truman Capote) Montauk (Max...
Eduschka - 18. Mai, 14:12
Unser Schleudersitz
Das Leben ist so kostbar. Machen wir etwas draus! Verbringen...
Eduschka - 18. Mai, 14:04

LESE GERADE


Chalid al-Chamissi
Im Taxi: Unterwegs in Kairo

SUCHE

 

About
AMAZONEN-GESCHICHTEN
Besser leben
Betrachtungen
Bsundrigi Ort
Dialog
Essays
Exkursionen in die Tierwelt
Frauen & Männer
Global Ice Cream
Himmel & Meer
Indischer Alltag
Jugend & Alter
Lyrik
Miniaturen
Pantoffelheldin
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren