Montag, 16. März 2009

Das Turnschuh-Vakuum

364936_R_B_by_Jutta-Grashof_pixelio-1-de Meine Lage ist misslich, stecke ich doch gerade mitten in einem Turnschuh-Vakuum. Eine Turnschuh-Ära meines Lebens ist zu Ende gegangen (Adidas, schwarz mit drei gelben Streifen, aufgerautes Leder) und eine nächste hat noch nicht begonnen. Meine Adidas-Treter und ich verbrachten während der letzten eineinhalb Jahre eine schöne Zeit zusammen. All diese Monate hinweg haben meine Alltagsschuhe mich wortwörtlich auf Schritt und Tritt begleitet. In ihnen habe ich unzählige Kilometer zurückgelegt, sie wurden Zeuge all meiner ausserhäuslichen Aktivitäten, sie waren mit mir in Zügen, Schiffen und auf Bergspitzen unterwegs, in ihnen habe ich mit Menschen geplaudert und gelacht, eine Kellertreppe rot gestrichen (rote Farbspritzer zeugen davon) und asiatischen Boden berührt. Spuren meiner Geschichte sind an ihnen haften geblieben, an ihnen hat sich Erinnerung materialisiert. Dennoch blieb mir vorige Woche nichts anderes übrig, als sie mit einem schweren Stossseufzer zu entsorgen – zwei grosse Löcher hatten sich in die Schuhsohle gefressen.

Ein Schuhpärchen ist ein Bekleidungsgegenstand mit Symbolgehalt. Ich kenne Leute, die sich deshalb beim besten Willen nicht von einem geliebten Paar alter Schuhe trennen können, seien sie auch noch so löchrig: Schuhe können Teil der eigenen Geschichte, der eigenen Identität sein, die man nicht einfach leichtfertig in den Mülleimer wirft. Ich habe allerdings auch schon das Gegenteil erlebt: Einmal sind ein paar ganz hübsche und noch ziemlich neue Turnschuhe über Umwege in meinen Besitz gelangt. Ihre ursprüngliche Besitzerin – eine entfernte Bekannte von mir – wollte sich von ihnen trennen, weil sie mit Erinnerungen an eine verflossene Liebe verknüpft waren. Aus diesen Schuhen war sie hinausgewachsen – oder herauskatapultiert worden. Gleichzeitig fühlte sie sich jedoch innerlich noch nicht dazu bereit, die Schuhe und die damit verbundene Erinnerung an diesen Menschen einfach so fortzuwerfen. Solche Schuhe trägt man in Ehren – weil man genau weiss, dass sie von der ureigenen Geschichte eines Anderen erzählen.

Unter diesen Vorzeichen ist es auch leicht zu erklären, warum Turnschuhe nicht einfach im Vorübergehen gekauft werden können wie ein T-Shirt oder eine Hose. Ein Turnschuhkauf muss wohlüberlegt sein, immerhin markiert das neue Schuhwerk die nächste Ära des eigenen Lebens. Welche Erfahrungen wird man in ihnen machen? Und welche Farbe ist dafür die richtige? Einst habe ich mich in roten Turnschuhen wahnsinnig gut und selbstbewusst gefühlt. Und ich erinnere mich auch noch genau an die dazugehörende Lebensphase. Dieses Mal steht mir der Sinn mehr nach Turnschuhen in weiss – mit farbigen Streifen. Keiner weiss warum. Aber ich werde solange suchen, bis ich das perfekte Paar gefunden habe, mit dem ich meine Reise auf diesem Weg fortsetzen will. Denn zu dritt sind wir ein unschlagbares Paar.

Bild: Pixelio / Jutta Grashof

Dienstag, 10. März 2009

Was machen Marroniverkäufer im Sommer?

amazonen_negativEine berechtigte Frage angesichts erster sehr zaghafter Versuche eines Frühlings. Kaum setzt die erste grosse Schneeschmelze ein, verschwinden die Marroniverkäufer genauso plötzlich wieder aus dem Strassenbild, wie sie im Herbst plötzlich da waren. Und manch einer mag sich vielleicht die Frage stellen, wie sie ihre Zeit verbringen, nachdem sie die letzten Monate über jeden Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang Schneeböen und Minustemperaturen getrotzt haben. Höchste Zeit also, den fliegenden Maronen-Händlern Anerkennung zu zollen und ihnen einige Zeilen zu widmen.

Vor einigen Tagen ist mir «33 Fragen» in die Hände gefallen, einen Fragekatalog, den ich einmal aus einer Laune heraus zusammenstellte und an meine Freundinnen schickte. Frage Nummer 17 lautet: «Wärst Du gerne einmal Marroniverkäuferin?» Ich bilde mir manchmal ein, eine natürliche Begabung dafür zu haben, die richtigen Fragen zu stellen – doch mit Verlaub: Sogar Publizistikstudenten im ersten Semester würden geringschätzig über so eine Frage in einem Fragebogen lächeln, ist sie doch geschlossen gestellt, man kann sie also leicht mit einem simplen «ja» oder «nein» beantworten. Mist. Mist. Mist. Umso mehr überraschte es mich, wie ungemein dicht die Antworten meiner Freundinnen ausgefallen waren. Mit einer so simplen Frage ergründet man das Wesen eines Menschen manchmal besser als mit jeder vorgefertigten Standardfrage aus dem Psychologie-Handbuch.

Meine Freundin Lockenkopf zum Beispiel schreibt: «Nein eigentlich nicht, ich würde sie lieber sammeln». Diese Antwort passt wie die Faust aufs Auge zu meiner Freundin Lockenkopf, die an Ostern das «Nestli» jedes einzelne Jahr innert Sekunden findet. Ich sage das mit einem gewissen Neid, aus gutem Grund, ist Lockenkopf doch eine grosse Finderin, ohne wirklich eine Suchende zu sein. Bei mir ist es eher umgekehrt, ich bin eine Suchende, aber Finden gehört nicht zu meinen Stärken. Deshalb bin ich auch immer die Allerletzte, die das «Nestli« findet, während meine Freundinnen mir bei meiner verzweifelten mit guten Ratschlägen zur Seite stehen und sich gleichzeitig krumm lachen. Meine Antwort auf die Frage 17 lautet: «Nein. Es ist mir zu kalt. Aber es wäre gut, um Umfragen zu machen. Ich würde pro Tag einer Fragestellung nachgehen. Aber wahrscheinlich wären meine Kunden damit überfordert und ich hätte bald keine mehr.»

In eine ganz andere Richtung geht die Römerin. Sie sagt: «Ja mich würde Wunder nehmen, ob ich frieren würde.» Das lässt auf eine grosse Experimentierfreudigkeit schliessen, die gut zu einer Frau passt, die sich gerne selbst neu erfindet. Schliesslich denken wir alle, dass wir frieren würden. Mit letzter Gewissheit können wir das doch aber nur sagen, wenn wir es selbst ausprobiert haben. Im Gegensatz zu uns anderen ist es für die Römerin eine Selbstverständlichkeit, als Gegeben Betrachtetes in Frage zu stellen. Meine Freundin Kaktusblüte schliesslich antwortet: «Ja, aber nur für ein Tag oder eine Woche, und nur wenn die Sonne scheint, wenn es regnet hätte ich keine Lust. Ich finde den Marroniverkäufer zuoberst in der Marktgasse sieht immer sehr zufrieden aus.» Kaktusblüte also offenbart sich als Schönwetter-Marroniverkäuferin, was gut zu einer Frau passt, die offen für vieles ist, solange die Rahmenbedingungen stimmen. Sie spricht auch von ihrer Beobachtung, wie zufrieden Marroniverkäufer wirken. Das erinnert mich an den Abreisskalender für den Monat März. Darauf steht: «Schöne Dinge für den Sommer planen, aber auch das Jetzt geniessen, das ist Lebenskunst.» Vielleicht sind wir dem Geheimnis der Marroniverkäufer ja schon ganz dicht auf der Spur. Was sie im Sommer machen, wissen wir zwar immer noch nicht. Aber vielleicht ist es auch gar nicht so furchtbar wichtig.

Dienstag, 24. Februar 2009

Leben im Transit

Für die Amazone ist das Leben bestimmt kein Wartesaal, und doch kam sie sich manchmal schon gestrandet vor. Gut nur, dass man immer wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.
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«Ich bin im Wartesaal geboren», singen Patent Ochsner, und auf einer Interrail-Reise mit der Eremitin habe ich zum ersten Mal eine Ahnung davon bekommen, was sie damit gemeint haben könnten. Die Eremitin und ich wandelten nämlich einmal auf den Spuren von Homo Faber in Griechenland (das war das Motto unserer Reise), entschieden uns dann aber spontan, Mister Faber für ein paar Tage abtrünnig zu werden und einen kleinen Abstecher nach Istanbul zu machen. Von Thessaloniki aus wollten wir den Nachtzug nach Istanbul nehmen. Aus Athen kommend, erreichten wir Thessaloniki bereits am späteren Nachmittag. Es regnete und auch sonst hatten wir keine besondere Lust, uns die Stadt anzusehen. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als im heruntergekommenen Bahnhofsbuffet auf die Abfahrt unseres Zuges zu warten. Wir assen pampige Pommes, rauchten Kette und fühlten uns überhaupt nicht wohl in unserer Haut.

Auf der ganzen Welt sehen Bahnhofsrestaurants genau gleich aus. Es sind heruntergekommene, verrauchte Löcher mit vergilbten Wänden. Sieht so die Vorhölle aus? Die Stammgäste trinken bereits am helllichten Tag Bier, der Tonfall ihrer Unterhaltungen ist ruppig, genauso wie ihr Umgang miteinander. Und wir, mittendrin, fragten uns: Was zieht diesen Menschenschlag rund um den Erdball an diesen Ort des Transits? Bier gäbe es sicher auch in anderen Lokalen im Zentrum. Ist es die Sehnsucht nach einer anderen Welt, im Wissen darüber, der eigenen doch nicht zu entkommen? Dem eigenen Schicksal doch nicht entrinnen zu können?

«Ich bin im Wartesaal geboren», singen Patent Ochsner und meinen damit wahrscheinlich die Tatsache, dass wir viel zu häufig im Leben darauf warten, dass endlich etwas passiert. Viel zu häufig gewöhnen wir uns an die Komfortzone des Transits, denn sie bietet den Trost des Altbekannten, vermittelt ein Gefühl von Sicherheit. Doch das Warten muss man nicht lernen – aber das Fliehen! Nur allzu leicht vergessen wir, dass wir jederzeit einen Zug besteigen und aufbrechen können, wenn wir des Wartens überdrüssig werden. Alles was zählt, ist die eigene Tat.

Für die Eremitin und mich jedenfalls hat sich das Aufbrechen gelohnt: Ohne dass wir gewusst hätten, erreichten wir Istanbul genau am Morgen des Zuckerfestes, an dem die Muslimen das Ende des Fastenmonats Ramadan feiern. In jedem Laden, den wir betraten, wurden uns Bonbons angeboten und wir sahen fröhliche Familien in ihren besten Kleidern durch den Park spazieren. Ich weiss nicht, wie viele Stunden wir in diesem Park auf der Bank sassen und uns am Anblick dieser gut aussehenden Menschen labten. Als die Rufe aus der Moschee erklangen, fühlte ich mich überglücklich und sehr auserwählt, diesen wichtigen Moment für die Menschen dieses Ortes miterleben zu dürfen und ihre Freude zu teilen.

Freitag, 20. Februar 2009

Das disharmonische Paar

Eine lebensunpraktische Möchtegern-Autorin lernt kochen

In «Ertappt vom Anti-Ich», als ich beim Schokoladenkauf meinem Anti-Ich begegnet bin, habe ich gesagt, dass ich des Kochens nicht fähig bin. Ich muss mich an dieser Stelle selbst korrigieren: Es handelt sich dabei nicht so sehr um eine wirkliche Unbegabung, sondern viel eher um eine fatale Kochunlust, die mich jedes Mal im denkbar ungünstigsten Zeitpunkt befällt: Dann nämlich, wenn mein Magen in jeder erdenklichen Tonlagen knurrt. Ich meine, es ist doch so: Kochen und Hunger bedingen sich gegenseitig, das eine ist erst die Voraussetzung für das andere, und dennoch spielen sie sich absolut nicht in die Hand. Ein Paar in fundamentaler Disharmonie! Mein Hunger weist nämlich ähnliche Eigenschaften auf wie mein Schlaf: Beide sind machtvoll und eigenwillig. Ist mein Hunger gross, will ich keine Zeit mehr zum kochen verschwenden, ist mein Hunger klein oder noch gar nicht vorhanden, gibt es aus meiner Sicht auch keinen Grund zu kochen.

Dennoch habe ich vor einiger Zeit beschlossen, dass es zu einer guten Allgemeinbildung gehört, ein paar Gerichte im Repertoire zu haben, im «Effeff» sozusagen. Es ist noch gar nicht lange her, da wäre ich nämlich in Verlegenheit geraten, hätte man mich spontan und ohne Kochbuch zur Zubereitung einer Mahlzeit aufgefordert. Von Pasta mit Tomantensauce einmal abgesehen. Meine Freundin Kaktusblüte lacht mich immer aus, weil ich – wenn ich mal koche – immer ganz exakt nach Rezept vorgehe. Sogar bei der Gebrausanweisung eines Fertiggerichts… Dank meiner 10-Punkte-Kochliste können mir Kochbücher in Zukunft gestohlen bleiben. Mit einem gewissen Stolz darf ich an dieser Stelle nämlich verkünden, dass ich bereits Peperoni-Reis, Ratatouille und Omeletten zubereiten kann. Der Musiker improvisiert, der Cowboy schiesst aus der Hüfte, und die lebensunpraktische Möchtegern-Autorin kocht von nun an beschwingt im Dreivierteltakt.
Doch nicht jedes Gericht hat einen Platz auf meiner Liste verdient! Sie müssen unkompliziert und schnell zubereitet sein (der Hunger…) und dennoch nach etwas aussehen. Ausserdem dürfen sie nicht allzu exotische Zutaten beinhalten, wer hat schon jederzeit Ingwer oder Sojasprossen zur Hand.

Ich finde, dass ich mit meiner Liste gut gerüstet bin fürs Leben. Als ich einmal arbeitslos war, hat mir meine Nachbarin einen Anmeldetalon für einen Kochkurs in den Briefkasten gelegt. Als Randnotiz hatte sie vermerkt: «Essen muss man schliesslich immer.» Ich war 19 und empört darüber, dass meine Nachbarin mich hinter den Herd verfrachten wollte. Die Arbeit an der eigenen Perspektive hat mir zu einer anderen Einsicht verholfen: Die Fähigkeit zu kochen ist Ausdruck von Selbstbestimmung. Dass die Hausfrauenfalle zuschnappen könnte und mein Selbstwertgefühl irgendwann darauf angewiesen sein könnte, anderen zu dienen – ich glaube, diese Gefahr kann man bei der Pantoffelheldin getrost ausschliessen.

Rezeptideen nehmen ich gerne entgegen unter: edith.truninger@gmail.com

Mittwoch, 18. Februar 2009

Der Himmel und das Meer

«Es gibt Menschen, die passen so gut zusammen wie der Himmel und das Meer.»

Diesen Satz habe ich zufällig irgendwo aufgeschnappt, und ich bin sofort an ihm hängen geblieben. Himmel und Meer – das sind zwei unglaublich starke Symbole meiner Seelenlandschaft. Himmel und Meer, das bedeutet für mich Weite, eine äusserliche Grosszügigkeit, die nach innen strahlt. Himmel und Meer, das ist die Sprache der Poesie. Vom ersten Moment war mir klar, dass der Satz von zwei Menschen spricht, die unbeschreiblich gut zusammen passen. Doch plötzlich kamen mir Zweifel. Himmel und Meer, da sind immerhin zwei verschiedene Kräfte am wirken. Vielleicht war genau das Gegenteil der Fall und die zwei Menschen passten überhaupt nicht zusammen? Verstand ich den Satz völlig falsch? Gerade in solchen Momenten ist es ein Geschenk von unschätzbarem Wert, Menschen um sich zu scharen, die denselben Blick auf die Welt haben. Auf wundersame Art und Weise scheinen meine besten Freunde immer genau dort besonders klar zu sehen, wo ich gerade anstehe. Ich nahm also das Telefon zur Hand und wählte die Nummer meiner Freundin Kaktusblüte. «Was würdest Du sagen, was bedeutet dieser Satz?» Ich las vor. Und ohne das kleinste Zögern, ja nicht mal mit der leisesten Verwunderung in der Stimme, warum ich ihr diese Frage stellte, kam glasklar die Antwort: «Wenn Du vom Ufer aus an den Horizont blickst, kannst Du nicht mehr unterscheiden, wo das Meer aufhört und der Himmel anfängt. Sie verschwimmen ineinander.» Damit hatte sie mir die Erklärung geliefert, nach der ich mich so sehnte und die ich zwar erahnte, die ich aber dennoch niemals hätte in Worte fassen können. «Kaktusblüte, wenn Du nur wüsstest, wie poetisch Du bist!» Ich hätte ihr die Füsse küssen können als Dank für diese klare Antwort auf eine für mich so komplizierte Frage. Manchmal braucht es Freundinnen, die einem die Optik wieder scharf stellen. Von hier aus kann ich wieder mir selbst überlassen werden, von hier aus kann ich mir wieder meine eigenen Antworten geben, den Faden weiterspinnen: Passt dieser Satz zu mir und dem Greis? Wir sind Himmel und Meer, wir verschmelzen ineinander und doch werden wir niemals eins werden können, weil wir nicht denselben Aggregatszustand aufweisen. Scheitert unsere Liebe an der Wirklichkeit? Ich weiss es nicht. Manche Fragen sind einfach zu gross. Aber eines weiss ich seither ganz bestimmt: Freundinnen sind genau da zu Hause, wo sich Himmel und Erde begegnen. Sie sitzen in der Vorpforte zum Himmel. Sie sind Engel, die genau zur richtigen Zeit das richtige sagen.

Mittwoch, 7. Januar 2009

Ihr bestes Stück

amazonen_negativSie sind entweder zu gross oder zu klein, zu hängend oder zu flach, so richtig zufrieden sind wir jedenfalls selten mit dem, was wir haben. Die Rede ist von des Frau bestes Stück: Ihrer Handtasche. Eine Frau und ihre Handtasche bilden eine unzertrennliche Einheit, sie sind miteinander verwachsen, einander Treu ergeben bis dass der Tod sie scheidet. Mir ist schleierhaft, wie Männer ohne eine Handtasche durchs Leben kommen, ganz ehrlich.

Erste und wichtigste Faustregel: Eine Handtasche sollte – das Wort verrät es eigentlich bereits – handlich sein. Frauen wie wir haben allerdings selten handliche Täschchen. Schliesslich muss man für alle Eventualitäten des Lebens vorbereitet sein! Meine Handtasche ist Pult, Bücherregal, Vorratskammer und Spiegelschrank in einem. Oder jedenfalls eine konzentrierte Form davon. So kommt es vor, dass ich ziemlich viel Gewicht durch die Gegend schleppe. Und es kann auch vorkommen, dass ich nicht auf Anhieb ins richtige Abteil greife. Dann suche ich den Leuchtstift in der Küche oder die Lippenpomade im Büro. Sprich: Ich suche mich dumm und dämlich. Meistens ist es in der Handtasche auch noch so dunkel wie in einem Kuhmagen, was die Suche auch nicht unbedingt erleichtert. Wie viele Stunden ich schon damit zugebracht habe, in meiner Tasche herumzuwühlen! In dieser Zeit hätte ich bestimmt einen Roman schreiben oder die Welt retten können. Eines steht jedenfalls fest: Ich hätte etwas Sinnvolleres tun können.

Mitunter kann sich auch ziemlich Privates in diesem Beutel aus Leder verbergen. Das ist auch der Grund, weshalb der Anstand es Männern verbietet, in der Handtasche einer Frau herumzuwühlen. Auch wenn darin ein Handy piepst! Und dazu gibt es eine sehr lustige Geschichte. Vor Jahren, als Lockenkopf soeben mit ihrem jetzigen Freund zusammen kam und sie ihn uns – eine delikate Angelegenheit – vorstellen wollte, sitzen vier Amazonen am Boden des Wohnzimmers und breiten in einem Anflug von Rührseligkeit den Inhalt ihrer Handtaschen voreinander aus. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was uns dazu bewog, aber wir waren sehr angetan von unserem kleinen Spielchen. Dem neuen Freund der fünften im Bunde war es einfach nur furchtbar peinlich. Er hätte uns wohl gerne erst einmal so kennen gelernt, ohne dass wir gleich unser Innerstes vor ihm ausgebreitet hätten…

Dienstag, 23. Dezember 2008

Elefantenhaare für Lockenkopf

Bringt rote Unterwäsche wirklich Glück in der Liebe? Die Amazone hat da so ihre Zweifel.amazonen_negativ

Nun ist es bald soweit, die Saison des Aberglaubens zieht wieder ins Land: Der schöne Silvesterbrauch zum Beispiel, sich im Hinblick auf die Nacht der Nächte gegenseitig mit roter Unterwäsche zu beschenken, auf dass es in Sachen Liebe ein glücksverheissendes Jahr werden möge. Diese Sitte hat sich natürlich auch im Kreise der Amazonen längst durchgesetzt. Ich weiss noch, wie wir uns einmal in einer Silvesternacht quer durch den Klub gefragt haben, um zu erfahren, ob manche der weiblichen Partygäste dem Brauchtum folgen und tatsächlich rote Unterwäsche tragen. Und siehe da, es waren erstaunlich viele, die es sich nicht nehmen liessen! Die befragen Frauen waren sehr offen, wildfremde Frauen zogen uns ins Vertrauen und flüsterten uns mit gesenkter Stimme ins Ohr: «Wisst ihr was, bei mir hat es dieses Jahr/letztes Jahr/ im Jahr davor/ funktioniert.» Einen Moment lang schien die Welt nur noch aus Frauen zu bestehen, die in Silvesternächten rote Unterwäsche tragen und im darauf folgenden Jahr von einer liebestechnischen Glückswelle erfasst werden. Welch Verheissung! Nichts wie hin in die Lingerie-Abteilung, sagten sich Kaktusblüte und ich, sobald die Silvesternacht erneut vor der Tür stand.

Doch es gibt noch mehr Liebesorakel. Einige unter uns sind – aus welchen Gründen auch immer – überzeugt, dass ein Elefantenhaar Glück in der Liebe bringt. Ein Aberglaube, der seinen Ursprung privaten Gründen zu verdanken hat. Und irgendwie ist das ja auch durchaus nachvollziehbar, ist doch so ein Elefantenhaar dick, borstig und sehr widerstandsfähig. Lockenkopf fand also, dass ein bisschen Glück in der Liebe bestimmt nicht schaden könne und schrieb dem Zoo einen netten Brief, ob der Elefantenwärter bitte so nett sei und dem Dickhäuter ein Schwanzhaar für sie abzwacken könnte. Wie zu erwarten war, erhielt Lockenkopf abschlägigen Bescheid vom Zoo.

Ein paar Monate später hatte ich vor, nach Indien zu verreisen. Lockenkopf liess es sich natürlich nicht nehmen und trug mir auf, nur mit einem Elefantenhaar für sie im Gepäck in die Schweiz zurückzukehren. Natürlich nahm ich mir diesen Auftrag sehr zu Herzen – schliesslich ging es um nichts Geringeres als das Liebesglück einer Freundin. Doch dummerweise ergab sich einfach nie die Gelegenheit und gegen Ende der Reise stand ich immer noch mit leeren Händen da. In einer Stadt in Rajasthan entdeckte mein Auge dann endlich einen einzigen bunt bemalten Elefanten, der gerade eine Prozession anführte. Vielleicht meine letzte Chance! Da nahm ich meinen Mut zusammen und kämpfte mich durch die Menschenmasse an die Spitze der Prozession. Endlich beim Elefant und seinem Meister angelangt, trug ich meine Bitte vor. Sofort zog der nicht eben freundliche Elefantenmeister ein Messer aus der Hosentasche, trennte ein paar Haare durch und überreichte mir – natürlich gegen ein kleines Entgeld – ein ziemlich kurzes, kotverschmiertes Stümmelchen. Etliche leere Stellen zeugten davon, dass andere schon vor mir da gewesen waren. Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob dieser Liebes-Aberglaube wirklich so wahnsinnig inoffizieller Natur war, wie ich immer gemeint hatte.

Das kotverschmierte Stümmelchen sah jedenfalls nur halb so verheissungsvoll aus wie die rote Unterwäsche, so viel kann ich an dieser Stelle verraten. Doch wenigstens kann ich mir nichts vorwerfen lassen, habe ich doch einen wahren Freundinnendienst erbracht und praktisch Leib und Leben riskiert, um an ein Elefantenhaar zu kommen. Über die Erfolgsaussichten beider Methoden möchte ich mich an dieser Stelle lieber nicht äussern, ist doch Lockenkopf schon seit einer halben Ewigkeit mit ihrem Gefährten zusammen, während die rote-Unterwäsche-Fraktion… na ja, wie auch immer. Einen guten Rutsch ins 2009!

Beitrag auch unter tink.ch

Freitag, 19. Dezember 2008

Kommen Sie gut durch den Winter

Ich liebe es, wenn mir Leute Anfang Sommer bei Alltagsverrichtungen einen schönen Sommer wünschen. Die «Migros»-Verkäuferin beispielsweise. Oder der Versicherungsberater. In solchen Momenten flirrt die Luft vor Verheissung. Im Winter funktioniert das nicht in gleicher Weise. Ich persönlich kann mir unter einem «schönen Winter» nämlich nicht allzu viel Grossartiges vorstellen. Was eventuell daran liegen mag, dass ich eine Winterflüchtige bin – rein theoretisch, zumindest. Im Moment müsste ich nämlich – rein theoretisch – vor einem kleinen Strohhäuschen irgendwo über einer Klippe in Südgoa sitzen, wo ich auf meinem tragbaren Laptop diese Zeilen schreibe, um gegen Abend eine Runde im Meer zu schwimmen und nach dem Eindunkeln am Strand ein paar selbst gefangene Fische über dem Feuer zu braten (ich esse zwar keinen Fisch, aber es passt so schön ins Bild). Im Stillen gratuliere ich jedem, der nicht nur davon plappert, sondern sich sein Leben tatsächlich so eingerichtet hat. Es gibt Orte auf dieser Welt, wo es jetzt gerade Sommer ist. Nur schon der Gedanke daran ist erfrischend.

Gestern hat mich doch tatsächlich zum ersten Mal die gloriose Erkenntnis gestreift, dass sich die Menschen in Süd- und Mittelamerika, die ja katholisch sind und Weihnachten feiern wie wir, enorm über die Weihnachtsgeschichte wundern müssen. Schliesslich handelt sie von schlotternden Hirten, wolligen Schafen und eisigkalten Nächten. Die Ärmsten können sich ja gar nicht richtig in die Geschichte hineinversetzen! Weil sie nicht wissen, was es heisst zu frieren. Zum Glück wohne ich in einem kalten Land, wo mir die Weihnachtsgeschichte noch richtig plastisch vor Augen geführt wird. Ich wohne sozusagen in der Kulisse. Und da ich ein krankhaft positiv denkender Mensch bin, fallen mir sogar noch weitere Gründe ein, warum ich froh bin, in einem kalten Land zu wohnen: Der Mäntel wegen nämlich. Denn Mäntel sind meiner Meinung nach richtig schicke Kleidungsstücke und es würde mir rein modetechnisch äussert schwer fallen, meinen Mantel gegen ein Bikini eintauschen zu müssen. Mäntel sind elegant, machen etwas her und sind für jeden Anlass geeignet. Ja der Winter selbst ist der Anlass für das Tragen eines Mantels! Zu Ehren des Wintergottes. Für Frauen im Speziellen eignet sich der Mantel, weil er meistens tailliert ist und deshalb schön geschwungene Picasso-Hüften betont. Ausserdem fühlt es sich einfach gut an, sich in den wärmenden Mantel zu kuscheln. Wenn wir schon niemand haben, der uns ein bisschen Körperwärme abgibt, können wir wenigstens auf unsere Mäntel zurückgreifen. Selbstbefähigung, heisst das magische Wort. Und wir haben noch gar nicht von den Feministen-Mänteln dieser Welt gesprochen! Feministen-Mäntel sind feuerrot und man fühlt sich so wahnsinnig gut und selbstbewusst darin. Ich weiss, wovon ich spreche. Auch ich gehöre manchmal zu den Rotmantelfrauen.

Kommen Sie gut durch den Winter,
Ihre Editha Truth

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Chalid al-Chamissi
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