Ertappt vom Anti-Ich
Es gibt Menschen, die sind das pure Gegenteil des eigenen Selbst. Angesicht zu Angesicht mit seinem ganz persönlichen Anti-Ich fühlt man sich leicht wie der ungeschickteste und unperfekteste Mensch auf dem Rund dieser Erde. Ich gestehe: ich bohre leidenschaftlich gern in der Nase, schwanke auf meinen Absatzstiefeln wie auf einem Schiff, meine Wimperntusche ist ständig verschmiert und ab und zu landet auch eines meiner langen schwarzen Haare in der Pfanne, in der ich gerade rühre, womit mir eine erstklassige Überleitung gelungen ist.
Ich hatte Freunde zum Essen eingeladen. Eigentlich gehört es ja nicht zu meinen Tugenden, Freunde zu bekochen, weil ich rein theoretisch gar nicht kochen kann und zudem eine wirklich miserable Gastgeberin bin. Die Gastgeberrolle ist mir einfach nicht auf den Leib geschnitten, jedes Mal wird es mir auf halber Strecke zu anstrengend. Und mitten im offenen Feld ist dann an eine Rückkehr unmöglich mehr zu denken. Nun ja. Jedenfalls beschloss ich, meinen lieben Freunden das simpelste, kalorienhaltigste und massloseste Gericht der Saison aufzutischen: Schokoladen-Fondue. Der Klang dieses Namens wird manche an längst vergangene Pfadfinder-Tage erinnern, und auch sonst holt man sich mit diesem Menu ganz sicher keine Gault-Milieu–Punkte. Schokoladen-Fondue, sagen wir es einmal so, ist der Traktor unter eleganten Karossen: Ausschweifend, gut-bürgerlich, provinziell, ein bisschen vulgär irgendwie. Einfach total anti-urban.
Unter normalen Umständen würde ich mir ja über das Image meiner Menuwahl nicht so viele Gedanken machen. Hätte ich nicht auf so gemeine plakative Weise den Spiegel vorgesetzt bekommen: Beim Einkaufen in der Migros nämlich läuft mir mein Anti-Ich just in jenem Moment über den Weg, als ich gerade damit beschäftigt bin, rezeptgetreue zwei Kilo Schokolade in meinen Einkaufskorb zu schichten. Inflagranti ertappt…! Die Schokolade wiegt plötzlich zentnerschwer. «Auch beim Einkaufen?», säuselt mein Anti-Ich mit einer gespielten Höflichkeit, die solchen Momenten gebührt. Denn das einzige, worüber wir uns wirklich einig sind, ist die Tatsache, dass wir uns nichts zu sagen haben. «Ja ja, Wochenendeinkäufe», erwidere ich in einem möglichst unverbindlichen Tonfall, ein Stossgebet zum Himmel schickend, sie möge die zwei Kilo Schokolade in meinem Einkaufskorb übersehen und stattdessen die vielen Bananen und Äpfel zur Kenntnis nehmen.
Wäre sie nicht sie gewesen, hätte ich natürlich voller Enthusiasmus erzählt, dass ich meine Freunde zum ausgiebigen Schlemmen geladen hatte. Vielleicht hätte ich die Geschichte sogar noch etwas ausgebaut, ihr etwas Farbe verliehen. Doch mein Anti-Ich würde den Reiz eines ausschweifenden Fress-Gelages unmöglich verstehen. Deshalb sind Menschen wie sie ja auch mein Anti-Ich. Nach dem kleinen Small-Talk-Crash habe ich es eilig, an die Kasse zu kommen. Während ich meine Einkäufe geschäftig in die Tüte packe, biegt ein Kollege von ihr um die Ecke. Grosses Hallo. «Wir müssen unbedingt wieder einmal ein Sushi machen», höre ich ihn sagen. In diesem Moment geht mir ein Licht auf. Sushi… na klar. Ein cooles, total urbanes und angesagtes Sushi ist genau die bevorzugte Menuwahl meines persönlichen Anti-Ichs: Akkurat in Form geschnitten und fast hundert Prozent fettfrei.
Es wurde übrigens ein netter Abend. Dass sich drei von sechs Anwesenden – die Köchin inklusive – 24 Stunden später die Seele aus dem Leib gekotzt haben, hatte WIRKLICH nur indirekt etwas mit meinem Schokoladenfondue zu tun…
Ich hatte Freunde zum Essen eingeladen. Eigentlich gehört es ja nicht zu meinen Tugenden, Freunde zu bekochen, weil ich rein theoretisch gar nicht kochen kann und zudem eine wirklich miserable Gastgeberin bin. Die Gastgeberrolle ist mir einfach nicht auf den Leib geschnitten, jedes Mal wird es mir auf halber Strecke zu anstrengend. Und mitten im offenen Feld ist dann an eine Rückkehr unmöglich mehr zu denken. Nun ja. Jedenfalls beschloss ich, meinen lieben Freunden das simpelste, kalorienhaltigste und massloseste Gericht der Saison aufzutischen: Schokoladen-Fondue. Der Klang dieses Namens wird manche an längst vergangene Pfadfinder-Tage erinnern, und auch sonst holt man sich mit diesem Menu ganz sicher keine Gault-Milieu–Punkte. Schokoladen-Fondue, sagen wir es einmal so, ist der Traktor unter eleganten Karossen: Ausschweifend, gut-bürgerlich, provinziell, ein bisschen vulgär irgendwie. Einfach total anti-urban.
Unter normalen Umständen würde ich mir ja über das Image meiner Menuwahl nicht so viele Gedanken machen. Hätte ich nicht auf so gemeine plakative Weise den Spiegel vorgesetzt bekommen: Beim Einkaufen in der Migros nämlich läuft mir mein Anti-Ich just in jenem Moment über den Weg, als ich gerade damit beschäftigt bin, rezeptgetreue zwei Kilo Schokolade in meinen Einkaufskorb zu schichten. Inflagranti ertappt…! Die Schokolade wiegt plötzlich zentnerschwer. «Auch beim Einkaufen?», säuselt mein Anti-Ich mit einer gespielten Höflichkeit, die solchen Momenten gebührt. Denn das einzige, worüber wir uns wirklich einig sind, ist die Tatsache, dass wir uns nichts zu sagen haben. «Ja ja, Wochenendeinkäufe», erwidere ich in einem möglichst unverbindlichen Tonfall, ein Stossgebet zum Himmel schickend, sie möge die zwei Kilo Schokolade in meinem Einkaufskorb übersehen und stattdessen die vielen Bananen und Äpfel zur Kenntnis nehmen.
Wäre sie nicht sie gewesen, hätte ich natürlich voller Enthusiasmus erzählt, dass ich meine Freunde zum ausgiebigen Schlemmen geladen hatte. Vielleicht hätte ich die Geschichte sogar noch etwas ausgebaut, ihr etwas Farbe verliehen. Doch mein Anti-Ich würde den Reiz eines ausschweifenden Fress-Gelages unmöglich verstehen. Deshalb sind Menschen wie sie ja auch mein Anti-Ich. Nach dem kleinen Small-Talk-Crash habe ich es eilig, an die Kasse zu kommen. Während ich meine Einkäufe geschäftig in die Tüte packe, biegt ein Kollege von ihr um die Ecke. Grosses Hallo. «Wir müssen unbedingt wieder einmal ein Sushi machen», höre ich ihn sagen. In diesem Moment geht mir ein Licht auf. Sushi… na klar. Ein cooles, total urbanes und angesagtes Sushi ist genau die bevorzugte Menuwahl meines persönlichen Anti-Ichs: Akkurat in Form geschnitten und fast hundert Prozent fettfrei.
Es wurde übrigens ein netter Abend. Dass sich drei von sechs Anwesenden – die Köchin inklusive – 24 Stunden später die Seele aus dem Leib gekotzt haben, hatte WIRKLICH nur indirekt etwas mit meinem Schokoladenfondue zu tun…
Eduschka - 11. Dez, 11:48
Ich erinnere mich, wie Kaktusblüte einmal zu mir gesagt hat: «Für Singles ist der Sonntag ist schon der verschissenste Tag von allen!» Das kam so ehrlich und aufrichtig rüber, dass mich sogleich das Bedürfnis packte, mich demütig vor ihr niederzuknien und sie gleichzeitig stürmisch zu umarmen. Mit diesem Satz spricht sie mir und Millionen von anderen Singles rund um den Erdball aus tiefstem Herzen. Am Sonntag hat man sich als Single gefälligst selbst zu genügen, auf Kommando und Knopfdruck, denn der Sonntag ist der Tag, den alle anderen mit dem Partner und – falls vorhanden – den Kindern verbringen. DAS IST EINFACH SO. Das ist verbürgt. Punkt, Aus und Schluss. Der Sonntag ist der Familienpicknick-Tag, der Connylandausflugtag oder der Im-Bett-bleiben-lesen-und-vögeln-Tag. Es gibt nur wenig, was sich in der globalisierten Welt an traditionellen Werten halten konnte, der Sonntagsbraten und Konsorte haben es leider geschafft. So eine Gemeinheit. Ich möchte nicht wissen, wie viele Singles sich am Sonntag im Fitnesszentrum auf den Geräten abstrampeln, nur um gegen die Leere anzukämpfen, die sich in ihrem Innern breit gemacht hat, ihnen den Hals zuschnürt und das Herz schwer werden lässt. So ein Sonntagnachmittag kann bleischwer auf einem liegen, so viel kann ich rübermorsen von meinem männerlosen Planeten. Am Tag der Gemeinschaft auf sich gestellt zu sein, steigert die gefühlte Einsamkeit – und, je nach vorüber ziehendem Tiefdruckgebiet – auch die Verzweiflung. 
Magische Augenblicke haben ein langes Leben. Noch Jahre später haften sie in unserer Erinnerung. Bei Filmen verhält es sich ganz ähnlich: Meistens ist es nicht der ganze Film, der uns in Erinnerung bleibt, sondern einzelne Sequenzen daraus. Manche Szenen gehen uns so unter die Haut, dass sie uns fast ein bisschen «gehören». Sie erreichen Kultstatus, werden zu etwas mit einer Geschichte und bleiben im Freundinnen-Kollektivgedächtnis haften – bis jetzt und in alle Ewigkeit. Unter den Amazonen ist das zum Beispiel bei der Schlussszene in «Notting Hill» der Fall, als er ihr auf der Parkbank aus einem Buch vorliest, ihr Kopf ist auf seinen Schoss gebettet. Oder die Hebefigur-Szene im Film «Dirty Dancing» – ein absoluter Klassiker! Da schmelzen wir reihenweise dahin – immer und immer wieder. Das ist das Schöne an Filmszenen: Anders als magische Momente im eigenen Leben lassen sich Filmszenen auf Knopfdruck wiederholen. 
