AMAZONEN-GESCHICHTEN

Dienstag, 3. Juni 2008

Zen-Momente

Die Amazonen können gut gemeinsam schweigen. Vor allem auf Zugfahrten, die sie quer durch Europa führen.

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Die Eremitin und ich waren am Samstag an eine Prä-Euro-Veranstaltung eingeladen. Dabei mussten Teams in eine Art Tischfussball mit Scheibe gegeneinander antreten. Wir waren fürs Team Rumänien am Start, das es leider nicht bis über die Vorrunde hinaus schaffte. Wir tranken und grölten dennoch fröhlich mit und wunderten uns im Stillen darüber, wie diese paar jungen Leute es schafften, so dermassen laut zu sein. Die bange Frage liess nicht lange auf sich warten: Werde ich langsam alt? Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, fluchtartig verliess ich den Raum. Im Nebenzimmer, neben einem grossen Schildkröten-Gehege ohne Bewohner und in ein Gespräch mit einem anderen Partygast vertieft, fühlte ich mich bedeutend wohler. Stille kann so ungemein wohltuend sein. Laut gilt als Inbegriff von Fröhlichkeit, dabei sind es eigentlich die leisen Töne, die wirklich glücklich machen.

Die Eremitin und ich können stundenlang Zug fahren ohne ein einziges Wort zu wechseln. Gemeinsam sind wir schon von Athen nach Istanbul, quer durch Schweden oder von Zürich ins Ferne Budapest getuckert und auf jeder einzelnen dieser Reisen gab es Momente der Hingabe an die eigenen Gedanken. In solchen "Zen-Momenten" widmen wir uns ganz unseren stillen Tätigkeiten, wir lesen, schreiben, malen oder hören Musik. Jede einzelne für sich, und irgendwie doch zusammen. Es sind Momente von grösster Vertrautheit, denn nur mit wirklich guten Freundinnen fällt das Schweigen leicht. Wir ruhen in uns selbst, pflegen unser Innerstes – und sind doch nicht einsam. Ich kenne nicht viele Menschen, mit denen ich das kann. Wie Zen-Mönche schon vor tausenden von Jahren erkannten: Die Stille und Weite ist unsere eigentliche Natur. Denn Stille in Einsamkeit gibt ein Gefühl von Tiefe – Stille in Gemeinsamkeit ist weit.

Dienstag, 20. Mai 2008

Geschichtenbazar

Lockenkopf wird als Gärtnerin ins Bordell gerufen und die Amazone arbeitet seit Neustem am Flughafen, wo es von Geschichten nur so wimmelt.

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"Beschütze meine grosse kleine Welt mit deiner schützenden Hand" (Songzeile)

Mein neuer Nebenjob als Betreuungsperson am Flughafen ist zwar nicht sonderlich gut bezahlt, doch mein Lohn ist etwas viel Wertvolleres: Er schenkt mir viele kleine Geschichten. Menschen aus aller Welt nehmen für eine Viertelstunde auf "meinem" Rollstuhl Platz und während ich sie durch den Flughafen schiebe, erzählen sie mir aus ihrer "grossen kleinen Welt". Darunter sind viele Menschen, die mich mit ihrem Mut beeindrucken, weil sie sich trotz körperlicher Gebrechen nicht vom Reisen abhalten lassen. Für mein eigenes Leben ist das sehr inspirierend.

Dabei ist mir aufgefallen, dass sich die Geschichten meiner Arbeitskollegen von meinen eigenen unterscheiden. Da gibt es lustige Geschichten, die unter meinen Arbeitskolleginnen in Windeseile die Runde machen. Diejenige eines 90-Jährigen Thailand-Reisenden zum Beispiel, der an der Sicherheitskontrolle dabei zuschauen muss, wie die Beamten sein Gepäck kontrollieren und dabei ein riesiger Dildo zum Vorschein kommt. Oder die etwas morbide Geschichten von Menschen, die ihre toten Angehörigen im Koffer transportieren, um die horrenden Kosten für einen Leichentransport zu sparen.

Ist es nicht so, dass jeder Mensch jene Geschichten anzieht, die irgendetwas in ihm zum Klingen bringen? Oftmals gleichen sich diese Geschichten sogar im Kern. Jeder Blick auf die Welt erfordert wieder ein anderes Set an Geschichten.
Schon oft habe ich darüber nachgedacht, dass Lockenkopf für mein Schreiben so etwas wie eine "Geschichtenlieferantin" ist. Das liegt vielleicht daran, dass ihre Geschichten im Grundton meistens etwas Lustiges oder etwas Skurriles haben, das sich gut erzählen lässt. Wenn Lockenkopf beispielsweise als Gärtnerin ins Bordell bestellt wird, um bei "Chez Big Mama" die Blumenkisten anzupflanzen, glaube ich nicht, dass mir das jemals hätte passieren können.

Diese Bordell-Geschichte ist irgendwie so absurd, das sie eigentlich nur Lockenkopf in die Welt hinaustragen kann. Selbst der Name ist typisch. Die Bordellinhaberin hätte ja auch Rosi heissen können oder Vicky, aber nein, sie heisst ausgerechnet "Big Mama". Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich geschworen, dass Lockenkopf diese Geschichte kurzerhand selbst erfunden hat. Aber vielleicht ist es ja auch irgendwie so. Wir ziehen jene Geschichten an, die wir selbst hätten erfinden wollen. Oder, anders ausgedrückt: Es werden uns nur jene Geschichten geschenkt, bei denen uns die Ehre zusteht, sie weiterzuerzählen.

Um mehr über sich zu erfahren, müsste man also eigentlich nur die eigenen Geschichten etwas genauer unter die Lupe nehmen. Und was mir bei meinen Geschichtengeschenken am Flughafen auffällt: Meine Rollstuhlpassagiere reisen eigentlich vor allem, um Freunde oder Familienmitglieder zu besuchen. Innert zwanzig Minuten sehe ich zuerst am einen Ort Tränen des Abschieds und am anderen Ort, mit einem anderen Passagier, Tränen der Freude über eine Ankunft. Von Zeit zu Zeit kommt mir das ganz schön schräg vor. Aber es beweist mir eines: Die meisten Menschen reisen nicht aus Ablenkung, Geschäftstüchtigkeit oder Geldgier, sie reisen nicht für einen Tapetenwechsel oder den Traumjob. Sie reisen, weil sie mit jenen Menschen zusammen sein wollen, die sie lieben.

siehe auch: tink.ch

Dienstag, 29. April 2008

Guter Auftritt

Die Amazonen haben zwar schon oft davon fantasiert, Pub-Touren zu machen, doch sie schaffen es nie über die erste Station hinaus. Dafür ist Lockenkopf überzeugt davon, ein sehr guter Cowboy zu sein

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"Eigentlich sehen wir uns immer nur im Sitzen", kommt es spontan aus mir heraus. Lockenkopf und ich sind gerade an der Bar unseres Lieblingslokals, unsere Hintern auf einem der bequemen Barhocker platziert. Auf der Tanzfläche mag der Bär steppen oder eine Band gefeiert werden, Lockenkopf und ich sitzen seelenruhig an der Bar, trinken ein bisschen Wein und plaudern. Ja, man kann es so sagen: Wir pflegen eine ausgeprägte Sitzfreundschaft. Trotz mehreren Anläufen ist es uns noch nie gelungen, eine Pub-Tour zu machen, die diesen Namen auch wirklich verdient hat – wir schaffen es einfach nie über die erste Station hinaus. Irgendwann hat sich Lockenkopf sogar zu der Bemerkung hinreissen lassen, sie wäre bestimmt ein extrem guter Cowboy. Sie malte sich aus, wie sie mit schnittigen Cowboy-Stiefeln den Saloon betreten würde und an der Bar mit einem Handwink ihr Getränk bestellte. Und während ich fand, dass das einsame Reiten durch die Prärie bestimmt nicht so ihr Ding wäre, kommentierte ihr Lieblingsmensch: "Du bist so klein, du würdest glatt unter der halbhohen Schwingtüre hindurch passen!" Der Effekt mit den flappenden Schwingtüren fiele also schon mal weg. Ich bin mir sicher, dass sie sich mit anderen Mitteln Gehör zu verschaffen wüsste.

Dienstag, 15. April 2008

Schweinische Erkenntnisse

Eigentlich findet die Amazone Tiere überhaupt nicht interessant, aber ihre grosse Freude am Essen weist doch eindeutig auf eine gewisse Verwandtschaft mit einem Nutztier hin.

amazonen Kinder finden Tiere faszinierend. Auch viele Erwachsene. Ich gehöre nicht zu ihnen, sondern leide im Gegenteil unter einem besorgniserregenden Fauna-Analphabetismus. (Im Stil von: Schwalbe? Wie sieht schon wieder eine Schwalbe aus?) Jedoch muss auch ich einräumen, dass es unter den Tiergattungen gewisse Sympathieträger gibt. Die Römerin zum Beispiel liebt das Schwein in seiner ganzen Wildheit schon seit Kindertagen. Manchmal träumt sie sogar von Schweinen. «Ich war in einer Guerillagruppe mit einem Schwein», erzählt sie am Wochenende in einer abendlichen Frauenrunde. «Das schreit ja geradezu nach einer starken Symbolik», meine ich. "Vielleicht verheisst es Glück?", mutmasst die Eremitin.

In der Tat: Das Schwein mit seinem dicken Bauch steht bei uns für Glück und Wohlstand. Es steht allerdings auch für Völlerei und Faulheit – zwei Attribute, die Lockenkopf und ich uns durchaus zuschreiben würden. Lockenkopf und ich sind nämlich "Fress-Partnerinnen". Regelmässige Fressorgien gehören zu unserem Ausgeh-Ritual. Gruppenschlemmen ist wunderbar. Ab und zu nimmt es allerdings auch etwas gar extreme Ausmasse an. Im Irish Pub unserer Stadt zum Beispiel: Lockenkopf und ich lehnen am Bistrotischchen und nippen an unserem Getränk. Am selben Tischchen lehnt noch ein anderes Grüppchen, das gerade ein geflechtetes Körbchen voller frittierter Leckereien serviert bekommt. Lockenkopf und ich tauschen neidvoll Blicke. Und während wir unser Gespräch fortführen, wandern unsere Augen immer wieder mal zu dem geflechteten Körbchen mit dem verheissungsvollen Inhalt. Irgendwann flüstert Lockenkopf mir ins Ohr: "Spekulierst du heimlich auch darauf, dass sie nicht alles aufessen?" Und unter Gekicher malen wir uns aus, wie wir zu allen Tischen mit geflechteten Körbchen hingehen und die Resten inklusive Krümel verputzen. "Bald wären wir in der ganzen Stadt als die Restenfresserinnen verschrien!"

Und als wir uns an jenem Abend zum Abschied innig umarmen, gebe ich intuitiv ein paar wohlige Grunzgeräusche von mir. Lockenkopf erwidert den grunzenden Gruss und meint: "Ich glaube, in unserem letzten Leben waren wir zwei Hausschweine. Unser Platz war unter dem Tisch, wo wir geduldig darauf gewartet haben, dass uns das Glück hold ist und uns ein paar leckere Resten zufallen lässt!"

Siehe auch: tink.ch

Dienstag, 1. April 2008

Erwischt beim Tatort schauen

Die Liebe als Institutiuon – es scheint kein Weg daran vorbeizuführen. Trotzdem mag die Amazone nicht glauben, dass Liebe immer langweilig werden muss.

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Die Langeweile ist das, wovor wir uns im Leben am meisten fürchten sollten. Ein Augenmerk sei dabei besonders auf die Langeweile in Beziehungen gerichtet. Die Eremitin hat in dieser Hinsicht kürzlich etwas sehr Treffendes gesagt. Sie meinte: "Wenn du dich dabei erwischst, wie du gemeinsam mit deinem Freund auf dem Sofa sitzt und dir Tatort anguckst, hast du verloren." Und ich weiss genau, was sie meint: Gemeinsam fernsehen – noch dazu Tatort, eine Sendung, die es seit Jahrhunderten gibt – ist der ultimative Beweis dafür, dass einem nichts Gescheiteres mehr einfällt. Die Luft ist endgültig draussen, die Ideen bleiben aus. Der gemeinsame Moment wird nicht mehr gelebt, geschweige denn gefeiert, Küsse nicht mehr gestohlen, die gemeinsame Zeit nicht mehr gewürdigt, sondern ist längst zur banalen Selbstverständlichkeit geworden. Nein danke, Tatort schauen kann ich auch sehr gut alleine. Einen DVD ausleihen und zusammen anschauen hat wenigstens im Ansatz etwas von einem Eventcharakter, zumal es wenigstens eine bewusste Entscheidung erfordert.

Mein persönlicher Horror betrifft diesen Papierkram – zusammen eine Lebensversicherung abschliessen oder die Steuererklärung ausfüllen. Das ist dann, wenn Beziehungen endgültig zu Institutionen werden. Und ich frage mich: Ist es unumgänglich, dass Beziehungen institutionalisiert werden, oder haben wir uns einfach daran gewöhnt? Ich will einen Partner – aber will ich auch eine Lebensgemeinschaft? Kann ich eine Beziehung führen wollen, mich aber gleichzeitig weigern, sie zu einer Institution werden zu lassen? Und wie bitteschön soll ich das anstellen? Ein Patentrezept dafür gibt es sicherlich nicht, aber wie die Römerin ganz richtig geseufzt hat: "Eigentlich ist es ein Wunder, wenn es funktioniert. Wenn sich der Mann in der gleichen Lebensphase wie du befindet und noch dazu emotional und intellektuell auf einem ähnlichen Niveau." Oder – so mutmassten die Römerin und ich genau gleichzeitig – es funktioniert eigentlich gar nicht, sondern es tun nur immer alle so. Ein Mythos – oder das bestgehütete Geheimnis unserer Zivilisation. Die "richtigen" Amazonen, die sich mit den Männern nur für die Fortpflanzung treffen und dann wieder ihre eigenen Wege gehen, könnten über solche Gedanken bestimmt nur den Kopf schütteln. Sie haben institutionalisiert, was viel realistischer ist: Ganz unverkrampft können sie dazu stehen, dass Fortpflanzung und Liebe nicht zwingend eine Einheit bilden müssen.

Dienstag, 18. März 2008

Ein langfristiges Projekt

Die Amazonen möchten im Alter gerne gemeinsam wohnen. Und weil die Männer ja sowieso früher sterben, ist dieser Plan sogar ziemlich realistisch.

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Die Amazonen haben viele gemeinsame Projekte in Aussicht. Das langfristigste betrifft die Eremitin und mich: Wenn wir alt sind, möchten wir eine Alters-WG gründen. Die Idee dazu kam uns letztes Jahr während einer gemeinsamen Indien-Reise. Es gibt nichts, was dagegen sprechen würde – schliesslich plant keine von uns beiden eine Familiengründung im herkömmlichen Sinn. Ausserdem sterben die Männer uns Frauen ja bekanntlich sowieso früher weg. Es bestehen also durchaus Chancen für die Umsetzung dieses Projekts. Gerade jetzt, wo wir herausgefunden haben, dass wir dieser Studi-WG-Phase entwachsen sind. Das nächste und letzte Zeitfenster für eine WG-Gründung lassen wir uns bestimmt nicht entgehen. Anfänge und Enden sehen sich manchmal verdächtig ähnlich.

Während die Eremitin auf ein Einzelzimmer besteht, wünsche ich mir ein glückliches Händchen bei der Ziehung des Preisausschreibens. Habe ich die Südsee-Kreuzfahrt dann endlich gewonnen, kann die Reise im Kopf beginnen. Selig träume ich von einer Kreuzfahrt auf hoher See, die ich niemals antreten werde. Seit neustem hat sich auch die Römerin unserem WG-Plan angeschlossen. Sie wünscht sich eine Katze (o ja, unbedingt!) und einen grossen Keller mit gutem Rotwein, um ab und zu ein schönes Kollektivbesäufnis zu veranstalten.

Tatsächlich ist es ein enorm tröstlicher Gedanke, den Lebensabend mit den besten Freundinnen zu verbringen. Dann, wenn die alternden Männer bereits wehleidig sind und unerträglich werden. Und es gibt noch einen anderen Grund: Im Umgang mit Männern legen auch wir immer wieder ein sehr törichtes Verhalten an den Tag. Wir bangen um sie, wenn sie auf Berggipfel klettern, wir warten auf ihre Anrufe oder ihre Kurzmitteilungen und schämen uns dafür, dass unser Glück so von ihnen abhängt. Und dennoch können wir nicht anders. Dabei sollten wir es doch eigentlich besser wissen. Wie die Römerin ganz richtig erkannt hat, ist die einzig treffende Bezeichnung für ein solches Verhalten «töricht». In der Alters-WG können wir dann endlich über all diesen Dingen stehen. Dann kann uns das alles nichts mehr anhaben. Das wird eine richtig "gfreute Sache". Und für einmal sind wir sogar richtig früh in der Planung…

Montag, 3. März 2008

Liebe ist wie Homöopathie

Lockenkopf ist seit acht Jahren vergeben und konnte ihre Freiheit behaupten. Leider gelingt das nicht allen. Für die Amazonen immer wieder ein Grund zum Lästern.

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Wir sind Lästermäuler – das ist ein offenes Geheimnis. Und wie alle Lästermäuler haben auch die Amazonen ihre Spezialgebiete. Paare, die sich von der Welt abkapseln, sich gänzlich aus ihr zurückziehen, sind uns nämlich suspekt. Solche Paare gibt es leider immer noch zu viele, und leider gibt es sie auch in unserem Bekanntenkreis. Kaktusblüte hat für dieses Phänomen einen Begriff geprägt, der sofort in den Gruppen-Wortschatz Eingang gefunden hat. Bei einer Lästerrunde brach es nämlich einmal aus ihr heraus: "Die werden total zweisiedlerisch!" Zweisiedlerisch – besser hätte man es nicht auf den Punkt bringen können.

Ohne unsere Lästerorgien rechtfertigen zu wollen – es gibt keine Entschuldigung, lästern ist unser grösstes Laster - möchte ich an dieser Stelle doch zumindest für Verständnis werben: Kollegen zu verlieren tut immer weh, und wenn es im Namen der Liebe geschieht, ist es besonders schmerzhaft. Denn zu meinem Verständnis von Liebe gehört es, dass man sich gegenseitig zu sich selbst verhilft, sich gegenseitig zu innerem Wachstum ermuntert. Das ist eigentlich so einfach – und offenbar doch so unglaublich kompliziert. Denn das Laster der meisten Menschen scheint die Sehnsucht zu sein, den Partner zu besitzen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum viele Beziehungen, die vorher jahrelang funktionierten, nach einer Heirat plötzlich in die Brüche gehen. Sobald die Liebe institutionalisiert wird, vertreibt man sie.

Lockenkopf feierte vor kurzem Jubiläum, seit acht Jahren ist sie mit ihrem Lieblingsmensch zusammen, ein Drittel ihres Lebens. Und sie sagt von sich, dass es ihr gar nicht vorkommt wie acht Jahre, sondern eher wie zwei. Ihre Beziehung sei noch nie langweilig geworden, und das hat sicher damit zu tun, dass die beiden eben weit davon entfernt sind, zweisiedlerisch zu werden. Sie lassen sich gegenseitig Freiräume für andere Lebensbereiche wie Hobbys oder Kollegen, lassen sich gegenseitig Mensch sein und das finde ich sehr schön. Vielleicht ist es mit der Liebe ein bisschen wie mit Homöopathie: Im Falle einer Überdosis wirkt sie nicht mehr, das Heilmittel verliert seine Kraft und der Zauber verpufft.

Dienstag, 19. Februar 2008

Die Übermutter aller Essigmütter

Egal wie abartig manche Interessen sind, es gibt immer Jemanden, der sie teilt. Die Amazone muss diese Erfahrung ebenfalls machen - und ekelt sich.

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Ich liebe es, Kleinanzeigen zu durchstöbern. Besonders scharf bin ich auf die ganz abstrusen Dinge, die dort gesucht oder angeboten werden. "Wer kennt einen grossen Ameisenhügel, den er mir zeigen kann?", ist so ein Klassiker. Solche Anzeigen werfen die unheimlichsten Fragen auf: Was weiss dieser Mensch mit einem Ameisenhügel anzufangen? An so einer Wand hat sich schon mancher Freak geoutet. So auch jene Frau, die sich kürzlich als Essigmutter-Liebhaberin zu Erkennen gab: "Wer kann mir sagen, wo ich eine Essigmutter bekommen kann?", las ich da. Und weiter: "Ich habe schon überall gesucht aber finde keine."

Gemäss einer österreichischen Kochwebsite ist eine Essigmutter, in manchen Regionen auch Essigliesel genannt, ein "glibberig aussehender Schlunz, welcher aus Essigsäurebakterien besteht." Schlunz – ein österreichisches Dialektwort – klingt genau nach dem, was die Essigmutter ist: Ein Schlunz, ein schleimiges, stinkendes Etwas, dem man unmöglich irgendeine Form von Liebe entgegenbringen kann, sondern nur Ekel und Abscheu. Lockenkopf sieht das etwas anders, denn Lockenkopf ist die Übermutter aller Essigmütter. Den Schlunz kann man nämlich in Weisswein legen und dann beginnt er, Essigsäure zu produzieren. "Das ist fast wie ein Haustier!" hat Lockenkopf begeistert ausgerufen.

Das war, als sie im Besitz ihrer ersten Essigmutter war. Ich weiss noch, wie ich nach einer langen Partynacht bei Lockenkopf übernachtet hatte und am Morgen nach Hause gehen wollte, als sie mir – im Pyjama und frisch aus dem Bett – unbedingt noch ihre Essigmutter zeigen wollte. Sie nahm den Schlunz aus dem Glas und führte ihn mir vor, liess ihn von der einen Hand in die andere wandern, dazu verströmte dieses Ding einen Ekel erregenden Säuregeruch. Igitt! Der Geruch von Essig ist wirklich das Letzte, das ich am Morgen in der Nase haben möchte. Doch Lockenkopf lachte vergnügt und fand überhaupt nichts Abartiges daran. Ob sie den Essig dann tatsächlich auch für die Salatsauce benutzen konnte, wage ich stark zu bezweifeln. Ich weiss nur noch, wie ich ein paar Monate später ein sms bekommen habe: "Die Essigmutter ist gestorben! Ich trauere". Trotz Lockenkopfs Liebe und Fürsorge hat es die Essigmutter nicht geschafft. Bei den Amazonen hielt sich die Trauer über diesen Verlust zwar sehr stark in Grenzen. Doch ich war verblüfft, dass es offenbar noch andere Essigmutter-Liebhaber auf diesem Planeten gibt. Irgendwie ist es ja auch tröstlich zu wissen, dass ein Interesse noch so abartig sein kann – irgendwo findet es immer Anklang.

Montag, 4. Februar 2008

Lebensabschnittsmöbel

Obwohl die Amazonen noch nicht ans Eigenheim denken, ist die WG-Zeit doch eindeutig vorbei. Nun muss eine richtig schöne Badwanne her. Oder eine eigene Altbauwohnung.

amazonen_negativGegenstände können auf vortreffliche Weise einen Lebensabschnitt symbolisieren. Mit 18 ist dieser Gegenstand oftmals das erste eigene Auto: Es symbolisiert die neu gewonnene Unabhängigkeit, es steht für Aufbruch. Das erste eigenen Auto bedeutet: ich ziehe los, um die Welt zu erkunden und sie mir zu Eigen zu machen. Bei Gleichaltrigen brechen Stürme der Begeisterung los, wenn man mit vor Stolz geschwellter Brust von seiner neuen Anschaffung berichtet. Für die Amazonen ist diese Phase längst vorüber. Für jene Amazonen, die ein eigenes Auto haben, ist es längst zur Selbstverständlichkeit geworden und die Amazonen ohne eigenes Auto werden sich wohl auch in nächster Zukunft keines anschaffen – täten sie es dennoch, wäre es nichts Spektakuläres.

Doch jeder neue Lebensabschnitt weckt wieder neue Begehrlichkeiten. Und so träumten die Amazonen und ich kürzlich bei Kaffee von einer freistehenden Badewanne mit Löwenfüsschen. Das wär’ was! Die Römerin argumentierte dann aber, dass wir uns definitiv noch nicht in dieser Lebensphase befinden.
Eine freistehende Badewanne mit Löwenfüsschen, das klingt nach grossen Wohnräumen mit hohen Decken und grossen Fenstern, es klingt ein bisschen nach Künstlerdasein, auch nach Yuppie-Style. Doch niemand von uns hat sich schon so weit emporgearbeitet, dass wir uns so eine Wohnform leisten könnten.

Es ist jedoch nicht unter den Teppich zu kehren, dass wir uns bereits in der Post-Studi-WG-Phase befinden: Wie man wohnt, wird in dieser Phase wichtiger. Und man möchte gerne selbst darüber bestimmen können und sich keinerlei Studi-WG-Regeln unterordnen müssen. So wie Lockenkopf. Sie ist gerade mit ihrem Freund in eine Altbauwohnung gezogen – wobei es Stimmen gibt, die beharrlich verlauten lassen, dass es gar keine Altbauwohnung ist. Doch Lockenkopf hat sich wohl ein bisschen in die Vorstellung verliebt. Sie ist sogar so weit gegangen, nach den ersten aufkommenden Zweifeln die Frau auf der Wohnungsverwaltung nach dem Kriterienkatalog für eine Altbauwohnung zu fragen. Die konnte es ihr dann aber auch nicht genau sagen. Schliesslich schafft sich jeder seine eigene Wahrheit. Lockenkopf wohnt also in einer Altbauwohnung.

Die Römerin hingegen ist im Moment in der Lebensabschnittphase des Bettsofas. Auch sie ist umgezogen und bewohnt ein Studio, und da sie oft künstlerisch tätig ist und den Boden benutzt, um zu basteln oder zu malen, würde ein Bett zu viel Platz versperren. Also ist das Möbelstück, welches ihre momentane Lebensphase am besten charakterisiert, ein Bettsofa. Ein Bettsofa kann sie schnell ausziehen und nach dem Aufstehen wieder wegräumen. Ein Bettsofa-Besitzer hat sich noch nicht richtig im Leben eingerichtet, hat sich aber dafür entschieden, sich auf den Weg zu machen und seinen Träumen Raum zu geben.

Zumindest wohnen alle noch zu Miete, das beruhigt mich. Wenn wir anfangen uns nach Landparzellen umzusehen, auf denen wir unser Einfamilienhäuschen errichten möchten, beginnt bei mir das grosse Haare-Raufen. Doch vorher kommt ja noch die Phase mit der freistehenden Badewanne. Die möchte ich auf keinen Fall verpassen.

Dienstag, 22. Januar 2008

Ich bin eine Kneterin!

Nichts ist im neuen Jahr, wie es einmal war: Sogar das Kochen macht der Amazone jetzt Spass. Ihre Freundinnen machen sich dazu natürlich so ihre Gedanken.

amazonen_negativ Letzte Woche habe ich mich Kopf voran in ein Abenteuer gestürzt: Ich habe mich als Köchin und anderntags als Bäckerin betätigt. Und es hat mir auch noch Spass gemacht. Wer mich kennt, der weiss, dass die Kelle in meiner Hand einem Staatsstreich gleichkommt. Ich hasse es zu kochen, habe ich immer gerne jedem erzählt, der es wissen wollte – und das war natürlich auch die Wahrheit. In der dritten Woche des eben erst angebrochenen Jahres musste ich nun erkennen, dass dieses mir lieb gewordene Bild von mir selbst so nicht mehr zutrifft. Obwohl ich wohl auch in Zukunft beim Kochen nicht kreativ sein werde, hat mir doch der schöpferische Vorgang des Kochens eine Befriedigung verschafft.

Manche Vorstellungen über die eigene Person lässt man nur sehr ungern ziehen. Ich habe es geliebt, mich als die Frau zu sehen, die das Kochen hasst. Und obwohl mir diese neue Entwicklung auch etwas unheimlich ist, verfüge ich doch über genügend Selbstironie, um mich auch sehr darüber zu amüsieren. Und natürlich wundern sich auch meine Freundinnen. Als ich vergangene Woche mit einem selbstgebackenen Brot bei der Eremitin aufgekreuzt bin, konnte sie sich den spöttischen Unterton nicht verkneifen. «Ja, verspotte mich nur, ich habe es verdient!», habe ich zu ihr gesagt. Doch ich weiss, dass die Amazonen als mir wohlgesinnte Freundinnen meinen Sinneswandel grundsätzlich unterstützen. Ganz uneigennützig rechnen sie sich auch schon aus, zu den Profiteuren meiner neuen Backkunst zu gehören. Ob ich nicht am Samstag jeweils Zöpfe für das Sonntagfrühstück backen und diese dann in den Ausgang bringen möchte?, lautete der Tenor. Kaktusblüte hat besonders gefallen gefunden an der Vorstellung, dass ich am Samstagabend jeweils mit einem Bastkörbchen in unserem Stammlokal auftauche und gutherzig Selbstgebackenes verteile.

Ich hoffe, dass es soweit nicht kommen muss. Und falls doch, dann geht meine Nachbarin mir mit gutem Beispiel voran: Ihr Weihnachtsgebäck unterscheidet sich nämlich ziemlich von normalem Weihnachtsgebäck, denn was sie fabriziert, sind riesige Atom-Dinger. Diese Frau ist mir sympathisch, denn sie hat gar nicht den Anspruch an sich selbst, genauso schöne und wohlgeformte Guetzli zu backen wie alle anderen Hausfrauen. Sie setzt andere Akzente, nimmt es nicht so genau. Die Vision meiner neuen Identität als Hobbybäckerin sieht also folgendermassen aus: Ich will die Frau sein, die riesengrosse Weihnachtsguetzli bäckt.

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