AMAZONEN-GESCHICHTEN

Dienstag, 9. Dezember 2008

Immer Sonntag auf den Malediven

amazonen_negativIch erinnere mich, wie Kaktusblüte einmal zu mir gesagt hat: «Für Singles ist der Sonntag ist schon der verschissenste Tag von allen!» Das kam so ehrlich und aufrichtig rüber, dass mich sogleich das Bedürfnis packte, mich demütig vor ihr niederzuknien und sie gleichzeitig stürmisch zu umarmen. Mit diesem Satz spricht sie mir und Millionen von anderen Singles rund um den Erdball aus tiefstem Herzen. Am Sonntag hat man sich als Single gefälligst selbst zu genügen, auf Kommando und Knopfdruck, denn der Sonntag ist der Tag, den alle anderen mit dem Partner und – falls vorhanden – den Kindern verbringen. DAS IST EINFACH SO. Das ist verbürgt. Punkt, Aus und Schluss. Der Sonntag ist der Familienpicknick-Tag, der Connylandausflugtag oder der Im-Bett-bleiben-lesen-und-vögeln-Tag. Es gibt nur wenig, was sich in der globalisierten Welt an traditionellen Werten halten konnte, der Sonntagsbraten und Konsorte haben es leider geschafft. So eine Gemeinheit. Ich möchte nicht wissen, wie viele Singles sich am Sonntag im Fitnesszentrum auf den Geräten abstrampeln, nur um gegen die Leere anzukämpfen, die sich in ihrem Innern breit gemacht hat, ihnen den Hals zuschnürt und das Herz schwer werden lässt. So ein Sonntagnachmittag kann bleischwer auf einem liegen, so viel kann ich rübermorsen von meinem männerlosen Planeten. Am Tag der Gemeinschaft auf sich gestellt zu sein, steigert die gefühlte Einsamkeit – und, je nach vorüber ziehendem Tiefdruckgebiet – auch die Verzweiflung.

Gemeinerweise ist ja der Sonntag auch der Tag, an dem die Läden geschlossen sind, als Single wird man also auch noch jeglicher Chance beraubt, sich zu zerstreuen. Und sowieso, so weit das Auge reicht, sind da immer nur diese Pärchen! Die Welt ist ein Pärchen-Nest. Genau wie wenn ein Passagierflugzeug aus den Malediven am Flughafen ankommt: Jeder einzelne, der aus dem Flugzeug steigt, ist zwischen zwanzig und vierzig und hat den Partner im Schlepptau. Auf den Malediven, dem Mikrokosmos der Liebespaare, ist es immer Sonntag.

Und was ist das erste, was wir gutmütigen Single-Freundinnen intuitiv tun, wenn unsere Freundin von ihrem Liebsten verlassen wird? Natürlich: Wir sorgen für die Sonntagsunterhaltung. Wir laden zum Kaffee, ins Kino oder ins Museum. Weil Liebeskummer und das Sonntagsgefühl sich schlecht vertragen. Schonen, schonen, schonen, das ist jetzt oberstes Gebot, die Freundin soll keinesfalls diesem klammen Gefühl ausgesetzt sein, das für uns zum Alltag gehört. Wenn wir ehrlich sind, geniessen wir die unerwartete sonntägliche Gemeinschaft. Obschon der Nachgeschmack etwas schal ist im Abgang. Denn wir wissen genau, dass wir nur die Lückenbüsser sind - und es immer bleiben werden. Sollte sich das ganze Trennungsdesaster bei Lichte besehen doch nicht als ganz so tragisch erweisen, hockst du bereits nächsten Sonntag wieder allein im Café.

Fest steht, und da würde mir Kaktusblüte sicher Recht geben: Der Sonntag und die Malediven gehören abgeschafft. Zumindest für Letzteres stehen die Chancen ja gar nicht mal so schlecht. Endlich mal eine gute Nachricht.

Dienstag, 25. November 2008

The flying hairstylist

amazonen_negativSelbst als Erwachsene kommt es noch vor, dass uns der Spieltrieb packt. Dann ist Kaktusblüte meine Spielgefährtin, die zu mir rüberkommt und mit mir «Kwoiförlis» spielt. Der einzige Unterschied zu Rollenspielen bei Kindern besteht darin, dass wir Erwachsenen die Haare tatsächlich schneiden. Kaktusblüte hat dafür sogar eigens eine Zickzack-Schere, was mir grossen Eindruck macht. She is the flying hairstylist. In grossen Lappen fällt mein Haar von mir ab, denn es ist dick, leicht gewellt und in rauen Mengen vorhanden. Das ist auch der Grund, sagt Kaktusblüte, warum sie sich überhaupt an meine Haare traut: Allfällige Ausrutscher seien bei mir nicht so leicht erkennbar. Die Ursache für dieses Haarkunstexperiment in den eigenen vier Wänden liegt nicht nur bei meiner enormen Sparsamkeit (um nicht zu sagen meinem nackten Geiz), sondern ist in erster Linie meiner angeborenen Abneigung gegen Haarspray geschwängerte Salons zuzuschreiben. Oder vielleicht sind mir in meinem Leben einfach zu viele böswillige Haarschneider begegnet, die mir zu viele katastrophale Frisuren verpasst haben. Seit ich bei «Chez Kaktusblüte» bin, passiert mir das nicht mehr. Seit sie bei mir die Schere ansetzt, heimse ich nur noch Lobhudeleien ein für meine Haarpracht…..so muss es sein!

Doch Kaktusblüte ist nicht nur im Departement Schönheit tätig. Auch zupacken kann sie. Dann fährt sie mit ihrem schnittigen Kleinwagen auf meinen Vorplatz, den Akkubohrer im Kofferraum, und im Nu ist der Mobitare-Schreibtisch oder der Ikea-Wandschrank zusammengebaut. Ja, richtig gehört, sogar einen Akkubohrer besitzt sie – einen handlichen, zusammenklappbaren. Und ich liess mich noch von einer lächerlichen Zickzack-Schere beeindrucken! Seit die Akkubohrer-Ära angebrochen ist, bin ich überzeugt, dass es Kaktusblüte in der Heimwerkerwelt weit bringen wird. Obwohl wir in feministischen Zeiten leben, kann noch nicht jeder Mann uneingeschränkt akzeptieren, dass eine feingliedrige, schlanke Person ihn im Dübeln und Nageln alt aussehen lässt. Anlässlich von Umzugsarbeiten bei Freunden wurde das schon mehrfach augenscheinlich. Deshalb hier nochmals für alle zum Mitschreiben: Es ist eine Frage des Talents, und nicht des Geschlechts. Kaktusblüte illustriert das auf eindrückliche Art und Weise, hantiert sie mit der Zickzack-Schere doch genauso geschickt wie mit dem Akkubohrer. Wie einfach es doch theoretisch wäre, einschränkende Geschlechterrollen hinter sich zu lassen und sich bei der Zügelarbeit stattdessen über die Süssigkeitenschublade herzumachen! Wie man das macht, können sich die Männer dann bei Lockenkopf abschauen.

Beitrag auch auf tink.ch

Dienstag, 11. November 2008

Die Fürstin der Liebesbriefe

amazonen_negativIn Lockenkopfs Besitz befindet sich etwas, das mich vor Neid erblassen lässt: Eine Liebesbrief-Box. Darin hat sie sämtliche Liebesbriefe aufbewahrt, die sie jemals bekommen hat. Viele davon sind seriöse Liebesbriefe ihres Freundes, Tinte gewordene Gefühle. Der ganze Rest stammt von Verflossenen aus längst vergangenen Teenagertagen, denen Lockenkopf längst keine Träne mehr nachweint. Sie haben heutzutage nur noch unterhaltenden Wert und sind daher auch für uns Freundinnen offen einsehbar. So kommt es vor, dass wir im Halbkreis um die Box sitzen, den Kopf tief vornüber gebeugt und uns gegenseitig plumpe oder jugendlich überhitzte Liebesschwüre vorlesen – was für ein Spass!

Manchmal ärgert sich Lockenkopf auch noch nachträglich über ihre einstigen Liebhaber. Liebesbriefschreiber C. zum Beispiel, «der konnte nicht mal seinen eigenen Namen richtig schreiben!», ereifert sie sich dann. Schludrig verfasste Liebesbriefe sind Lockenkopf ein Gräuel. Rechtschreibefehler oder eine nachlässige Handschrift sind für die Liebesbrief-Fürstin ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich der Betreffende einfach zu wenig Mühe gegeben hat. Auch wenn ihr Verhalten leicht divahafte Züge angenommen hat (nicht jeder kann schliesslich mit einer ganzen Liebesbriefe-Box aufwarten), gehe ich doch grundsätzlich mit ihr einer Meinung: Eine schöne Handschrift oder eine ansprechende Schreibe können die Qualitäten eines Mannes adeln. Was die Männerwelt vielleicht in Erstaunen versetzen wird: Eine Schönschrift hat erotische Wirkung, verleiht dem Mann Glanz und bringt dem Betreffenden somit viele Bonuspunkte ein. In digitalisierten Zeiten mit sms und E-Mail ist es allerdings etwas schwierig geworden, an solche wertvollen Indizien heranzukommen.

«Das waren noch Zeiten, als man sich noch Liebesbriefe geschrieben hat!», seufzte Lockenkopf vorige Woche verträumt. Verständlicherweise weint sie dem vergangenen Liebesbrief-Zeitalter heute noch nach. Wäre ich Besitzerin einer solchen Box, mir würde es ähnlich ergehen. Doch in meiner Liebesbriefe-Box herrscht leider gähnende Leere, ein tiefes schwarzes Nichts starrt mir entgegen. Ist das Leben gerecht? Schliesslich bin ich doch hier die Buchstabenverrückte! Einmal habe ich der Eremtin mein Leid geklagt. Auf meinen 26. Geburtstag im letzten Mai erhielt ich dann einen von ihr verfassten Liebesbrief an mich. Ich habe geweint vor Rührung! Noch nie in meinem Leben habe ich einen so schönen Brief bekommen. Meinen einzigen Liebesbrief hüte ich wie ein Schatz. Ich bewahre ihn in einer Blechkiste auf, zusammen mit ein paar anderen Dingen, die mir wichtig sind. Und es ist mir schlichtweg unmöglich, ihn ein zweites Mal zu lesen – aus Angst, sein Zauber könnte mich nicht mehr so heftig erfassen wie beim ersten Mal. Ich kann nun auch all die Männer mit den leicht unperfekten Handschriften beruhigen: Wenn der Inhalt stimmt, spielt die Form keine Rolle mehr.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Das Ende der Romantik

Die Amazone sinniert über Liebesszenen in Filmen und warum unsere Erinnerung manchmal trügt.

amazonen_illustration_rot Magische Augenblicke haben ein langes Leben. Noch Jahre später haften sie in unserer Erinnerung. Bei Filmen verhält es sich ganz ähnlich: Meistens ist es nicht der ganze Film, der uns in Erinnerung bleibt, sondern einzelne Sequenzen daraus. Manche Szenen gehen uns so unter die Haut, dass sie uns fast ein bisschen «gehören». Sie erreichen Kultstatus, werden zu etwas mit einer Geschichte und bleiben im Freundinnen-Kollektivgedächtnis haften – bis jetzt und in alle Ewigkeit. Unter den Amazonen ist das zum Beispiel bei der Schlussszene in «Notting Hill» der Fall, als er ihr auf der Parkbank aus einem Buch vorliest, ihr Kopf ist auf seinen Schoss gebettet. Oder die Hebefigur-Szene im Film «Dirty Dancing» – ein absoluter Klassiker! Da schmelzen wir reihenweise dahin – immer und immer wieder. Das ist das Schöne an Filmszenen: Anders als magische Momente im eigenen Leben lassen sich Filmszenen auf Knopfdruck wiederholen.

Auch im Film «Ghost» mit Patrick Swazey und Demi Moore gibt es eine solche Szene. «Die Töpferszene!», schwärmen Kaktusblüte und ich und schmelzen schon beim Gedanken an die Töpferszene dahin wie der Tonkrug auf der Töpferscheibe, der beim Liebesspiel des Paares in sich zusammen fällt. Ultimativ erotisch. Ein Sinneserlebnis der dritten Art. Per SMS lasse ich die Freundin wissen: «Ich schaue mir heute Abend 'Ghost' an. Mit der Töpferzene!» Zufrieden male ich mir aus, wie meine Freundin bei Erhalt meiner Botschaft gedanklich in Begeisterungsstürme ausbrechen wird.

Wie angekündigt mache ich es mir also mit mir selbst gemütlich, kuschle mich in meine Bettdecke und harre voller Erwartung dem, das da kommen wird. An die Handlung des Films habe ich keinerlei Erinnerung mehr, doch die Töpferszene zeichnet sich glasklar vor meinem inneren Auge ab. Zumindest glaube ich das. Eine Viertelstunde nach Filmstart sitze ich wie ein begossener Pudel vor dem Fernsehgerät und fühle mich um das Vorspiel betrogen. Viel zu früh flimmerte die vermeintliche Kult-Szene über die Mattscheibe, und ich hatte gar keine Gelegenheit, mich vor Vorfreude zu überschlagen. Ausserdem ist sie, man kann es nicht anders sagen, ein bisschen gar zahm. Als ich der Eremitin am nächsten Tag mein Leid klage («die waren ja nicht mal ganz ausgezogen!»), meint sie trocken: «Du bist einfach verdorbener geworden.» Ich lache kurz auf und muss im nächsten Momente zugeben, dass sie wohl Recht hat. Seit Kaktusblüte und ich den Film gesehen haben, sind wohl doch einige Jährchen verstrichen. Ein Trost hat mein desillusionierendes Erlebnis: Ich amüsiere mich dieses Mal prächtig über Whoopi Goldberg, die eine Hellseherin spielt und im katastrophalen Deux-Pièce mit ihrem typischen Dackelgang über die Strassen New Yorks watschelt. Es ist beruhigend zu wissen, dass ich in den letzten Jahren vielleicht gewisse romantische Idealvorstellungen eingebüsst, aber dafür wenigstens an Humor gewonnen habe!

Dienstag, 16. September 2008

Vilken tur!

Kann eine Extra- Portion Taubenkot auf dem Kopf Glück bedeuten? Für die Amazonen schon. Doch nicht alle glücklichen Begebenheiten müssen eklig sein.
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Ein wenig abergläubisch sind wir doch alle. Deshalb ergreifen wir im Alltag gerne jede sich bietende Gelegenheit, uns etwas zu wünschen. Wir wünschen auf jede Sternschnuppe, die vor unseren Augen durch die Erdatmosphäre flitzt und auf jede lose Augenwimper, die an unserer Wange hängen bleibt. Wir tun das ganz still und leise, nur im privaten inneren Gärtchen hat der Wunsch seinen Platz. Dennoch fragen wir unsere Freundin danach ganz aufgeregt: «Hast Du Dir auch etwas gewünscht? Über den Wunsch selbst schweigen wir uns aus, sonst geht er nicht in Erfüllung – so will es die Volksweisheit. Unter den Amazonen besteht schon seit jeher das Ritual, dass wir uns bei zufälligem simultanem Sprechen (also wenn zwei zur genau gleichen Zeit zufällig genau das gleiche sagen) etwas wünschen dürfen. Dann haken wir uns mit dem kleinen Finger der rechten Hand ein und öffnen uns gegenseitig die verhakten Finger, während wir vor uns hersagen «eins, zwei, drei… Apfel.» Dieses Ritual öffnet uns Tür und Tor zu unseren innersten Wünschen, die wir dann fliegen lassen, hinaus in die Welt, in der Hoffnung, sie mögen auf fruchtbaren Boden fallen.

Doch die Amazonen wären nicht die Amazonen, wenn ihnen das bereits genug wäre. So hat jede von uns Strategien entwickelt, um die Chance zu erhöhen, einen Wunsch frei zu haben. So beharrt Lockenkopf seit Jahren darauf, sich etwas wünschen zu dürfen, wenn einem eine Taube auf den Scheitel kackt. Schliesslich gehört so viel Glück dazu! Seit ein Tigermännchen im Zoo ihrem Freund einmal mitten ins Gesicht pinkelte, verteidigt sie diese Theorie überzeugter denn je (sie hat leider nichts abgekriegt und durfte sich daher auch nichts wünschen…) Während Lockenkopfs Tricks aus dem animalischen Bereich sind, kennt die Eremitin eher Möglichkeiten poetischer Natur: Laut der Eremitin darf man sich nämlich etwas wünschen, wenn man einen Graureiher im Flug sieht. Schliesslich staksen diese Tiere hauptsächlich erhaben auf Feldern herum und wagen sich nur selten in die Lüfte. Das Prinzip scheint also zu sein: Je seltener eine Situation vorkommt, desto mehr ist sie dazu bestimmt, gewisse «magische Kräfte» inne zu haben. Auch ich hatte vor einigen Wochen mein Erlebnis der dritten Art: In der schwedischen Möbelhauskette in Dietlikon wurde ich nämlich von einem Schweden bedient. Von all den tausend Mitarbeitern, die die Ikea sicherlich hat, würde ich ausgerechnet von einem Schweden bedient! Kaktusblüte meinte dann etwas abwertend, das sei gar nicht so selten, wegen Austauschprogrammen und so. Doch ich beharre darauf: Wer in einer Ikea-Filiale ausserhalb von Schweden von einem schwedischen Landsmann oder Landsmännin bedient wird, darf sich etwas wünschen. Oder wie der Schwede sagen würden: Vilken tur! (Was für ein Glück!)

Dienstag, 26. August 2008

Den Alltag feiern

"Jede Stunde ist deine Stunde.", schrieb eine chinesische Autorin. Die Amazonen wissen ihren Tag zu nutzen – auf ihre ganz eigene Art.

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McDonalds und Lockenkopf – das hat Tradition. Masslosigkeit trifft auf Masslosigkeit, geschrieben mit einem grossen gelben "M". So erzählte sie kürzlich eine schöne Geschichte über das Zelebrieren seines eigenen Moments. Nach der Arbeit habe sie eine Dusche genommen, sich frisiert und schön gemacht. Danach sei sie ganz allein in den McDonalds gefahren, um sich einen Burger zu gönnen, erzählte sie stolz. Die Geschichte hat mich an einen Satz der chinesischen Autorin Xiaoulu Guo erinnert, den ich kürzlich gelesen habe: "Jede Stunde ist meine Stunde." Obwohl für mich sofort klar war, dass es eine Art Liebeserklärung ans Leben sein muss, könnte die Schriftstellerin theoretisch auch etwas ganz anderes gemeint haben. Vielleicht: "Ich kann zu jeder Tageszeit gut arbeiten." Jede Stunde ist deine Stunde heisst für mich soviel wie: "Was immer du auch machst, und sei es auch noch so unbedeutend, mach es im Frieden mit Dir selbst." Seither leihe ich mir den Satz manchmal aus und setze ihn ans Ende eines E-Mails, als eine Art Aufforderung: "Jede Stunde ist Deine Stunde."

Ich könnte auch schreiben: "Lebe, was das Zeug hält!". Doch diese Aufforderung wäre wohl etwas zu plakativ. Ausserdem ist es nicht das, was ich sagen will. Nicht alles im Leben kann immer spektakulär sein. Das wird dem Leben in seinen Grundtönen nicht gerecht. Natürlich ist das Leben aufregend, spannend und spektakulär – manchmal. Doch zu einem viel grösseren Teil ist es ruhig und besonnen, friedlich. Die unspektakulären Momente sind oftmals die besonderen, die wir ehren und zelebrieren sollten. Ganz in sich ruhen, ganz für sich da sein und seine ganz privaten kleinen Feierlichkeiten im Alltag auskosten. Ich kann mir Lockenkopf bildlich vorstellen, wie sie – fein zurechtgemacht und frisch parfümiert – durch die automatische Schiebeglastüre schreitet und mit hoch erhobenem Kopf und zufrieden lächelnd auf die Theke zusteuert. Und in souveränem Tonfall ein Big Mac Menu bestellt.

Dienstag, 29. Juli 2008

Erdbeeren-Albtraum

Mit Geburtstagsgeschenken kann man manchmal ziemlich danebenliegen. Das muss nun auch eine der Amazonen erfahren.

Mit Geburtstagsgeschenken ist es so eine Sache – Jahr für Jahr. Da die Amazonen allesamt in den Sommermonaten Geburtstag feiern, sind wir inzwischen ziemlich gut darin, Geburtstagsüberraschungen zu improvisieren. Das geht von Postenläufen über Ballonfeste bis hin zu Geburtstagstänzen. Doch gerade was Geschenke anbelangt, liegt das Fettnäpfchen manchmal gar nicht weit. So auch am 25. Geburtstag von Lockenkopfs Freund. Lockenkopf – ganz die gute Freundin – hatte ihm zu Ehren eine Grillparty auf der Dachterrasse organisiert – welch Überraschung, welch Freude. Alles lief in geregelten Bahnen. Das Desaster begann sich erst abzuzeichnen, als Lockenkopf ihrem Liebsten mit siegessicherem Lächeln ihr Geschenk überreichte. Aus dem Geschenkpapier wickelte ihr Liebster… eine gigantische Büchse Erdbeerjoghurt.
Ganze fünf Kilo Erdbeertraum, eigentlich für die Gastronomie gedacht. Die gute Freundin wusste schliesslich ganz genau, dass ihr Liebster Joghurt in rauen Mengen vertilgte. Und fruchtig musste es sein, Fruchtigkeit war das Gebot der Stunde. Ob Esswaren grundsätzlich gute Geschenke hergeben, darüber lässt sich streiten. Doch am Gesicht ihres Liebsten zeigte sich zuerst Irritation, alsbald leichtes Unverständnis ab. Irgendwann begann er den Kopf zu schütteln, langsam, und dann immer heftiger. Sie ahnen es sicher bereits – der Beschenkte kann Erdbeerjoghurt nicht ausstehen. Fassungslos versuchte er dennoch zu begreifen, dass seine Freundin ihn gerade mit einer Unmenge von Erdbeerjoghurt beglückt hatte. Man muss sich das mal vorstellen, fünf Kilo – das bedeutet 27 kleine Joghurtbecher. Ich bin sicher, dass der Arme noch im Traum von kleinen, rennenden Erdbeeren verfolgt wurde. Schliesslich musste sein WG-Mitbewohner sich der 5-Kilo-Büchse annehmen. Und Lockenkopf hat einmal mehr bewiesen: Sie ist sogar dann masslos, wenn sie eigentlich nur eine gute Freundin sein will.

Dienstag, 15. Juli 2008

Aber bitte mit Schuss

Was haben ein Tropfen Bitterlikör im Drink und eine neue Frisur gemeinsam? Beides fällt manchmal nur echten Kennerinnen auf.

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In der Lieblings-Bar der Amazonen gibt es einen Drink, der zum eigentlichen Amazonen-Drink geworden ist. Er ist knallgelb und heisst "Biene Maja". Neben den Süssgetränken Sprite und Orangina enthält er als Geschmacksverstärker ein ganz klein wenig Bitterlikör (Angostura). Obwohl wir ihn alle andauernd trinken, ist Kaktusblüte die eigentliche Expertin auf dem Gebiet des Maja-Drinks. Sie ist nicht nur die Einzige von uns, die das komplizierte Wort «Angostura» fehlerfrei artikulieren kann, sie merkt auch immer bereits nach dem ersten Schluck, wenn "der Schuss" in der Hektik des Baralltags vergessen gegangen ist. Der Schuss Bitterlikör ist schliesslich das Sahnehäubchen, er adelt den Drink – da bestehen wir drauf!

Seit Neuem gibt es jetzt noch einen zweiten Schuss im Kreise der Amazonen. Als beim allwöchentlichen Frauenabend nämlich wieder mal von Männergeschichten die Rede war, hatte auch Lockenkopf etwas zu erzählen: Nach einer Woche ferienbedingter Trennung seien sie und ihr langjähriger Freund und Gefährte wie frisch verliebt. Ausserdem habe die Haarstylistin ihm eine neue Frisur verpasst – "Damit ist er ein echter Schuss!" Worte voller Leidenschaft. Und kaum ist die mit Feuereifer vorgetragene Lobeshymne an die neue Frisur des Liebsten verebbt, brechen wir anderen auch schon in schallendes Gelächter aus. Es stimmt: Ein neuer Haarschnitt kann in der Tat Wunder bewirken. Sogar die Stilikone Tyler Brûle hat das kürzlich in einem Interview gesagt. Natürlich wollten wir uns bei nächster Gelegenheit selber von dieser überaus positiven Veränderung auf dem Haupt des Betreffenden überzeugen. Doch so dermassen verändert schien er uns dann doch auch wieder nicht. Wahrscheinlich verhält es sich in der Liebe wie beim "Biene Maja" und dem Schuss Angostura: Aussenstehenden würde gar nicht auffallen, dass etwas fehlt. Doch die Kennerin weiss das Sahnehäubchen eben wertzuschätzen.

Montag, 7. Juli 2008

Wenn der Fluss plötzlich aufwärts fliesst

"Sicher ist einzig die Veränderung" meint die Amazone und plädiert für weniger Angst vor grossen Richtungswechseln.

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In Asien gibt es Flüsse, die bei Monsun die Fliessrichtung wechseln können. Und so wie das Wasser in extremen Situationen die Fliessrichtung wechseln kann, machen auch Menschen allerlei Veränderungen durch. Ansichten und Gewohnheiten verändern sich, Verantwortungsgefühle wandeln sich, Freundschaften werden geschlossen und wachsen, das Kräfteverhältnis wird plötzlich ein anderes. Sicher ist einzig die Veränderung. Nur kümmert das unsere moderne Gesellschaft herzlich wenig: In Industrienationen ist das Bedürfnis nach Sicherheit gross und damit auch das Gefühl, das eigene Leben jederzeit kontrollieren zu können. Je mehr wir mit dieser Kontroll-Erwartung an unser Leben herangehen, desto mehr haben wir Angst vor der unwiederbringlichen Veränderung.

Auf die eine oder andere Art fürchten wir uns also alle vor Veränderungen. So auch in der Liebe. Wer kennt sie nicht, die leise Angst vor einer neuen Liebe? Wir sagen, wir fürchten uns vor der Liebe – doch eigentlich fürchten wir uns vor der Veränderung, die sie in unserem Leben bewirken könnte. Denn anders als ein paar neue Schuhe oder eine neue Stelle gilt die Liebe in unserer Kultur als jene Kraft, die am meisten Potenzial hat, uns und unser Leben unwiderruflich zu verändern. Vielleicht sitzt uns die Angst im Nacken, nicht mit diesen reissenden Gefühlsströmen umgehen zu können. Dabei vergessen wir häufig, dass die Liebe uns immer nur zu uns selbst führt und nicht von uns weg. Es sollte also zu einer guten Lebensführung gehören, ab und zu ganz bewusst zuzulassen, dass die Fliessrichtung des eigenen Lebensflusses sich ändern kann.

Dienstag, 17. Juni 2008

Von Fröschen und Baumliebhabern

Obwohl die Amazonen wahre Profi-Singles sind, fänden sie es doch schön, sich diesen Sommer endlich mal zu verlieben. Doch Traummänner sind rar.

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Der Mai 2008 ist Geschichte. Kurz nur hat er uns seine Aufwartung gemacht, den Hut zum Gruss gehoben und sich danach klammheimlich davongestohlen. Das ist mir ein schöner Kavalier. Lebewohl, bis zum nächsten Jahr. Ihn ziehen zu lassen ist dieses Jahr besonders hart. Die Amazonen wollten sich doch verlieben im Mai! Gleich vorneweg: Es hat nicht geklappt. Wieder nicht. Bei niemandem von uns. Bis zum letzten Moment hatten wir Hoffung gehabt – Kaktusblüte hatte schliesslich am Letzten Tag im Mai einen Gratiseintritt in Jagdgrund Nummer eins: eine Einladung zu einer Hochzeitsparty. Wir waren guter Dinge, drückten ihr ganz doll die Daumen. Um Mitternacht musste der Mai dem Juni weichen und ausser Blasen an den Füssen von den drückenden Sommersandalen gab es auch bei Kaktusblüte keine neuen Akquisitionen zu verzeichnen.

Wenn wir Amazonen etwas beherrschen, dann ist es das Singlesein. Darin sind wir Meisterinnen. Ausser Lockenkopf als Dauerabwesende im Singleklübli können wir anderen uns inzwischen als wahre Expertinnen brüsten. Wir habe schon überlegt, es lobend in unserem Lebenslauf unter «besondere Kenntnisse» zu erwähnen. Sich leere Sonntag um die Ohren schlagen, ätzende Fragen beantworten, sich immer selbst im Brustton der Überzeugung sagen müssen, dass Gott angeben wollte, als er einen erschuf… der ganze elende Katalog ist uns wohlbekannt. Und um gleich vorneweg alle Missverständnisse und Vorurteile aus der Welt zu schaffen: Ja wir wollen uns tatsächlich verlieben (gibt es irgendjemanden auf dieser Welt, der keinen Bedarf hat an Liebe?) und nein, wir haben ganz sicher keine zu hohen Ansprüche.

Sich in Sachen Liebe solidarisch zu zeigen, ist bei uns oberstes Gebot. Für das Liebesglück der anderen sind wir deshalb auch bereit, recht unkonventionelle Wege zu beschreiten. Eine Froschaktion für Kaktusblüte zum Beispiel. Die geht so: Wir organisieren für sie fünf Dates, und einer der Herren wird bestimmt darunter sein, der zu ihrem Prinzen wird.....

In der Altstadt knöpften wir uns die einigermassen akzeptabel aussehenden Herren unseres Alters vor und trugen unsere Bitte vor. Die meisten der Männer verstanden nicht gleich auf Anhieb und waren eher überfordert. User Ziel dabei wäre es eigentlich gewesen, dieses ganze Paarungsding einmal von einer spielerischen Seite her anzugehen. Doch das setzt natürlich ein gewisses Verständnis für denselben Humor voraus. Der erste Mann war ein Kanadier und nur zu Besuch in der Schweiz. Obwohl eine Fernbeziehung nicht in Frage kommt, hatten Kaktusblüte und er einen schönen Touristen-Sonntag in Zürich. Ein fulminanter Start, doch danach ging es rapide abwärts. Während einer sein Kollege zum Date schickte und ein anderer sie ganz versetzte, kam sie vom vierten Date nur noch Kopfschüttelnd und unter prustendem Gelächter zurück. Dieser Typ hatte ihr doch allen Ernstes erklärt, dass es eines seiner Hobbies wäre, auf Bäume zu klettern. War das nicht derjenige gewesen, den wir ausgewählt hatten, weil er diesen leicht alternativen Touch verströmte? Wir hätten wirklich zu gerne Kaktusblütes Gesicht gesehen, als er seine heimliche Vorliebe eröffnete. Seither haben wir eine sehr genaue Vorstellung davon, wie jemand aussieht, den Englischsprachige gerne als «tree hugger» bezeichnen. Das fünfte Prinzen-Date ist immer noch ausstehend. Nach dem Baumbesteiger hatten wir zum Wohle aller Beteiligten eine Ruhepause nötig, die immer noch andauert….

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Schreiben...

...ist für den Schriftsteller immer die beste aller Möglichkeiten. unbekannt

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shanayabindra - 23. Mai, 09:13
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Chalid al-Chamissi
Im Taxi: Unterwegs in Kairo

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