Montag, 6. Dezember 2010

Randolph...

«Lektion eins», sagte Heinrich, «betrifft die Weiber». Randolphs Augen weiteten sich. «Unsereins hat da viel gelernt von den Indianern, drüben, du weisst schon, auf dem anderen Kontinent.» Randolph nickte wie ein beflissener Schüler. «Bist du neu auf dem Gebiet des Weiberns», Heinrich machte eine kunstvolle Pause, «und das bist du, das sehe ich dir an», und er fuhr fort: «verbringst du deine erste Liebesnacht mit einer Frau mittleren Alters.» Randolph musste an seine Mutter denken, ihm wurde eng in der Brust. «Die alten Weiber, die können dir einheizen, das kann ich dir sagen!», Heinrich geriet ins Schwärmen. «In nur einer Nacht bringen die dir alles bei, was du über das Liebemachen wissen musst. Lass die paar Falten Falten sein, das sind die besten Lehrerinnen.» Randolph nickte. «Die zweite Nacht», fuhr Heinrich weiter, «verbringst du mit einem Mann.» Randolph schluckte leer. «Mit einem Mann? Aber...» - «Ich weiss schon was du sagen willst», unterbrach Heinrich ihn abrupt. «Dass du kein Schwanzlutscher bist, nicht wahr», und er lachte aus vollem Hals sein Bärentöterlachen. «Unsereins hat genauso gedacht. Doch darum geht es nicht. Du musst wissen, wie sich ein Mann anfühlt. Nur so kannst du wissen, wie es für die Frau ist. Verstehst du, du musst versuchen, dich in die Weibsdinger einzufühlen, nur so holst du den Anker ein.» Heinrich stutzte. «Du weisst doch, was ich meine, wenn ich sage, den Anker einholen?» Randolph wollte sich vor Heinrich nicht blamieren. «Padääm, du weisst schon, das Schiff klar machen, die Segel hissen....» - «Ach so, ja klar», sagte Randolph kleinlaut. «Die dritte Nacht und letzte Nacht», sagte Heinrich in feierlichem Ton, «verbringst du mit einer jungen, bildschönen Frau.»

Randolph...

Heinrich sah aus wie Sindbad der Seefahrer. Er war bärtig im ganzen Gesicht, auf seinem muskulösen linken Oberarm prangte ein Anker, und irgendwo hatte er sich noch eine Meerjungfrau tätowiert. An welcher Körperstelle, wollte er Randolph allerdings nicht verraten, und dabei grinste er dreckig, der Goldzahn in der hinteren Reihe blitzte auf. Heinrich bestellte einen Grog nach dem anderen und stellte sie Randolph vor die Nase. «Richtige Seefahrer trinken Grog!», polterte er. Heinrich hatte offenbar einen gewissen Ehrgeiz entwickelt. Einen Ehrgeiz, den ihn, Randolph, betraf. Aus irgendeinem Grund sah er es als seinen persönlichen, inneren Auftrag an, aus Randolph den besten Matrosen aller Zeiten zu machen.

Mit Randolph...

Behäbig stemmte er sich aus dem Sessel, sein fülliger Leib schränkte ihn in seiner Bewegungsfreiheit ein. Barfuss schritt er über den gepflegten englischen Rasen, der in der Abenddämmerung glitzerte. Die Grashalme kitzelten ihn an den Fusssohlen. Bald würde es ganz dunkel sein. Sein Haus stand auf einer Anhöhe, rund herum war das Gelände abfallend. Bloss ein Zaun trennte ihn von den wilden Schakalen, die ihn nachts mit ihrem Geheule beinahe um den Verstand brachten. Randolph betrat die Villa, sein Papagei schaute ihn vorwurfsvoll vom Käfig aus an und krächzte laut. Lady Montgomery würde er mitnehmen in sein neues Leben, beschloss er. Die Laute des Papageis erinnerten ihn an seine etwas lang geratenen Wanderjahre, die ihn als Matrose auf hoher See durch wilde, unbesiedelte Gebiete der Weltgeschichte geführt hatten. Er musste daran zurückdenken, wie er einst in die Welt hinausgegangen war – jung, naiv, voller Enthusiasmus und Entdeckerfreude.

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