Mittwoch, 15. Juli 2009

Spuren der Leidenschaft

Eine Freundin bezeichnet ihre Hände gerne als «Lederhände»: Trockene, aufgeraute Hände von der täglichen Arbeit mit der Erde. Ein befreundeter Geiger hat am Hals blau-violette Flecken – «da hat sich einer offenbar einen abartig grossen Knutschfleck verpassen lassen», mag manch einer schadenfreudig denken. Falsch geraten. Die verfärbte Druckstelle rührt von den vielen Stunden des Übens her, die Geige dicht am Hals. Auch bei mir hat der Beruf – oder sagen wir besser die Leidenschaft – Spuren hinterlassen: Auf der Innenseite meines Mittelfingers zeigt sich eine Druckstelle, fast eine Art Ausbuchtung. Genau da, wo der Kugelschreiber den Finger berührt. Ich bin «gezeichnet» von den vielen Stunden exzessiven Tagebuchschreibens.

Male, die unsere Leidenschaften verursacht haben, sind sexy. Ich liebe es, zu erkennen, wenn jemand das, was er macht, mit Leidenschaft tut. Und ich habe Respekt davor. Das muss nichts Grossartiges sein. Wir müssen nicht auf den grossen Bühnen dieser Welt stehen oder 10 000 im Monat verdienen. Manchmal reicht es völlig aus, in einem Tabakwarenlädeli zu arbeiten, Brieftauben zu züchten oder Staubsauger zu reparieren. Weil es zu uns passt. Weil es einen Raum schafft, in dem unsere Persönlichkeit sich entfalten kann.

Ich erinnere mich, wie ein guter Freund mir einmal ans Herz gelegt hat: «Habe immer Respekt für Deine Arbeit.» Heute ist mir klar, warum er so darauf gepocht hat: Denn wer Respekt hat für seine Arbeit, hat auch Respekt für sich selbst.

Dienstag, 7. Juli 2009

Der Bleistift-Test

amazonen_negativDie Sauna ist wie der Zug ein idealer Ort, um Fremde beim Gespräch zu belauschen. Eine Zeitlang war Lockenkopf eine ziemlich exzessive Saunagängerin. Einmal hatte sie es sich gerade mit ihrem Badetuch auf den heissen Holzbrettern bequem gemacht, als sie den Begriff „Bleistift-Test“ aufschnappte. Der Bleistift-Test, erklärte eine Frau ihrer Kollegin, sei ein Trick, um zu eruieren, inwieweit die Brüste dem Gesetz der Schwerkraft bereits gefolgt seien. Dabei klemme frau sich ganz einfach einen Bleistift zwischen Brust und Bauch. Findet der Bleistift kein Fleisch, um sich festzuklammern und fällt deshalb runter, kann das nur eins bedeuten: Die Brust ist immer noch straff. Die Saunafrau in Lockenkopfs Sauna meinte dazu trocken: «Weiss du, früher war es noch ein Bleistift, heute findet an dieser Stelle eine ganze Farbstiftschachtel Platz!»

Lockenkopf und ich sind natürlich gleich gerannt, um die Probe aufs Exempel zu machen. Kaum zu Hause, entledige ich mich meinem T-Shirt und dem BH und platziere den Bleistift am besagten Ort. Mit dem Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter geklemmt, berichte ich Lockenkopf brühwarm von der Test-Front: “Zwischen meinen Hautfalten findet locker ein Bleistift Platz“, sage ich zu ihr. «Sitzt Du?», fragt mich Lockenkopf am anderen Ende der Leitung. Ich bejahe. «Du musst halt schon aufstehen!» In stehender Position ergibt sich jedoch dasselbe Bild: Der Bleistift hält und hält, wenn auch mit etwas mehr Spielraum.

Geknickt von diesem Resultat, tröste ich mich mit dem Gedanken, dass es immerhin mit der Farbstiftschachtel schwierig werden könnte. Ausserdem nehme ich mir vor, den Test bei Gelegenheit zu wiederholen. Dabei ertappe mich bei der Vorstellung, dass ich den Bleistift glatt unter der Brust vergessen und mir beim Sex plötzlich aus der Wäsche fallen könnte. Wie ich das meinem Partner wohl erklären würde? Vielleicht mir einem 100 Prozent originalen und copyrightgeschützten Amazonen-Schrei: «Cheerio, ich liebe meinen Körper... und du hast das gefälligst auch zu tun!»

Donnerstag, 25. Juni 2009

Apfelwähe für alle

amazonen_negativ Lockenkopfs Freund hat das Apfelwähenbacken für sich entdeckt. Und man muss dazu vielleicht noch sagen, dass er in der Küche nicht zu gebrauchen ist. Jedes Mal, wenn er sich darin zu schaffen macht, sind wesentliche Utensilien danach unbrauchbar. Lockenkopf und Kaktusblüte geben noch heute die Geschichte zum Besten, wie er vor Jahren einmal versucht hat, Popcorn zuzubereiten und die Pfanne dabei so ausbrannte, dass man sie gleich in den Mülleimer schmeissen konnte. Das mit den Pfannen lässt er seither sein, dafür hat er jetzt das Backblech für sich entdeckt. Sei einigen Wochen bäckt er nämlich mit rühriger Hingabe Apfelwähe. Seine Schwiegermutter in Spe hat ihm bereits ein Wähenkochbuch geschenkt. Lockenkopf muss derweil nicht auf den verwegenen Gedanken kommen, sie könne im gemeinsamen Haushalt je wieder selbst eine Wähe backen. Das ist jetzt sein Revier, in Sachen Apfelwähe ist ER der Experte. Schluss, Punkt, Ende der Diskussion.

Schon seltsam, wie Männer dazu neigen, die wenigen Handreichungen, die sie normalerweise im Haushalt ausführen, so dermassen überzubetonen. Als könnten sie sich damit einen Orden verdienen. Eine Prestige-Angelegenheit ist Haushaltsführung definitiv nicht. Damit lassen sich keine Lorbeeren einheimsen. Doch anstatt die Erfahrung zu machen, dass auch „niederträchtige“ Arbeiten mit Hingabe ausgeführt werden können, haben Männer die Tendenz, jedes noch so kleine „Ämtli“ zum Prestigeobjekt hoch zu stilisieren. Die Frau ist der Allroundertyp, Männer möchten sich spezialisieren, Experte sein.

Und dennoch rührt mich die Apfelwähen-Geschichte. Für Männer wie Frauen ist es gleichermassen wichtig, die bemutternde, fürsorgliche Seite in sich zu entdecken und ihr Ausdruck zu verleihen. Die Anima, so heisst diese weibliche Seite in der Psychologie, macht, dass wir uns um unsere Liebsten sorgen, wenn sie sich verspäten, sie lässt uns Gäste mit Hingabe bewirten und... sie sorgt dafür, dass wir Wähen backen. Eine Wähe mit saisonalen Früchten ist so etwas wie der Inbegriff der liebevollen, gütigen Seite in ein jedem von uns. Auf den Wähenboden kommt je nach Jahreszeit das drauf, was die Natur oder der Boden hergibt. Das erinnert an den Zyklus von Geburt, Sterben und Wiedergeburt, was Frausein ja letztendlich ausmacht. Oder vielleicht bringe ich Wähe auch deshalb in Zusammenhang mit Mütterlichkeit, weil eine Wähe zu jenen Dingen im Leben gehört, die hausgemacht einfach tausendfach besser schmecken als gekauft. Das Elternhaus betreten, den vertrauten Geruch einatmen, das Büsi spüren, das einem um die Beine streicht und eine Wähe auf dem Tisch vorfinden – das ist Heimkommen.

Freitag, 12. Juni 2009

Naschen mit dem Popcorn-Mann

amazonen_negativEs gibt Menschen, die sind so richtig grosse Nascher. Lockenkopf gehört zu dieser Spezies. Nun hat sie auch noch das ganz grosse Los gezogen, arbeitet ihr Freund doch neben seinem Studium im Kinokiosk. Für den Popcorn-Nachschub im Hause Lockenkopf ist also gesorgt. Etwas Besseres hätte ihr nicht passieren können. So geht Lockenkopf als neugeborene Cineastin jetzt regelmässig ins Kino, während ihr Freund treuherzig die Popcorn-Maschine rattern lässt, sobald die Dame seines Herzens eintrifft. Weil die Becher jedoch abgezählt werden, muss er regelmässig und unter Einsatz all seiner Kräfte für behältertechnischen Ersatz suchen. So kommt es vor, dass Lockenkopf im Kinosaal neidvolle Blicke auf sich zieht, weil sie mit einem riesigen Getränkepappkarton voller Popcorn im roten Plüschsessel sitzt, während sich die Nachbarn links und rechts mit einer durchschnittlichen Bechergrösse zufrieden geben müssen. Ein bisschen würde sie sich jeweils schon schämen, räumte sie noch ein. Schon früher waren die Amazonen grosse Chips-Nascher. Eine Zeitlang waren Erdnussflips bei uns ganz hoch im Kurs. Wir vertilgten ganze Packungen dieser Dinger, und Lockenkopf war ernsthaft beunruhigt, als sie eines Tages feststellte, dass sie keine ganz Packung Erdnussflips auf einmal mehr vertilgen konnte. Na so was! Da konnte doch etwas nicht mehr stimmen! War sie etwa ernstlich erkrankt? Bei der nächsten Arztkonsultation wies sie den Mediziner vehemment auf ihren besorgniserregenden Zustand hin. Was dieser genau diagnostizierte, ist leider nicht überliefert. Wahrscheinlich hat er sie kopfschüttelnd nach Hause geschickt, mit dem Ratschlag, es doch morgens nochmal zu probieren.

Mittwoch, 3. Juni 2009

Bis auf den letzten Krümel

In meinen schwachen Momenten kann ich so dermassen gefrässig sein, dass es jeden beschämen muss, der in meine Nähe kommt. Stumme Zeugin dieser Tatsache war für einmal glücklicherweise nur ich selbst. Es war Sonntag und ich arbeitete. Nach Feierabend schlenderte ich ein bisschen herum und geriet dabei in so eine richtig schöne sonntagnachmittägliche „Kaffee- und Kuchen-Stimmung“. Ich beschloss, mir zur Feier des Tages im „Starbucks“ einen dieser leckeren, aber sündhaft teuren „Chai Latte“ auszugeben. Ich zahlte am Tresen und bahnte mir mit meinem dampfenden Becher einen Weg durch das überfüllte Café, um mich an einem der kleinen Bistro-Tischchen niederzulassen. Auf der Tischplatte türmten sich noch die Abfälle der vorherigen Gäste. Dies störte mich jedoch nicht weiter, ich nahm mein Buch heraus und vertiefte mich. Bis ich den Kopf einmal kurz anhob und mein Blick zufällig auf die Papiertüte meiner Vorgänger fiel. Ich schob das Papier etwas zu Seite und linste schüchtern hinein – wo ich einen riesigen, fettigen, mit Zucker bestreuten Schokobrownie erspähte – oder besser gesagt eine Hälfte davon. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich betrachtete mein Becher, noch bis zu zwei Dritteln gefüllt, und begann abzuwägen.

Noch zögerte ich. Ich haderte mit mir. Schalt mich, dass man ein Kind ausschimpfen würde, wenn…. Ich dachte sogar an den Witz des Arbeitskollegen vom Vortag: „Ich erlaube dir, aus meiner Flasche zu trinken – aber ich habe Hepatitis A, B und C.“ Und dann tat ich es doch. Ich langte in die Tüte und liess mir den schokoladigen, süssen, fettigen Brownie auf der Zunge zergehen. Der Genuss war zwar nicht ganz unbeschwert, denn ich kämpfte mit der Paranoia, die in Wellen von mir Besitz ergriff. Ich fürchtete, die ursprünglichen Besitzer des Brownies würden zurückkommen und Ansprüche auf die zweite Hälfte erheben. Was würde ich ihnen sagen? Wie um alles in der Welt würde ich ihnen das erklären? Ich atmete erleichtert auf, als ich den Brownie bis auf den letzten Krümel verdrückt hatte. Ich putze mir mit der Serviette den Schweiss von der Stirn und die Krümel aus dem Mundwinkel und dachte erleichtert: „Nun kann mir niemand mehr etwas nachweisen“ Den Moment eines Schmetterlingflügelschlags lang schämte ich mich. Bis ich mich mit dem Gedanken darüber hinwegtröstete, dass es schliesslich auch Menschen gibt, die Katzenfutter f.. essen.

Dienstag, 2. Juni 2009

Abkehr von der modernen Kunst

Es gibt Bücher, die sind wie Leuchttürme. Wie ein besonders strahlender Stern stehen sie am Himmel und weisen uns die Richtung. Wie eine Kerze in einem dunklen Raum erzeugen sie das Licht der Erkenntnis, dem die Dunkelheit weichen muss. Dann denken wir, dass es unmöglich Zufall gewesen sein kann, dass dieses Buch ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt den Weg in unser Leben gefunden hat. Es bereichert uns genau da, wo wir es gerade nötig haben, wie ein Puzzleteil fügt sich plötzlich eines zum anderen. Ein solches Buch repräsentiert nicht nur uns selbst, es repräsentiert einen ganzen Lebensabschnitt. Mit 14 haben wir gemeinsam mit den Heldinnen aus den Romanen von Federica de Cescos die Welt erobert, mit 17 lasen wir «Die Leiden des jungen Werthers» von Johann Wolfgang von Goethe und schliefen in der Folge ein Jahr lang mit einer Kopie des Werthers unter dem Kopfkissen. Mit 20 entdeckten wir die Bücher von Hermann Hesse, und während wir bei «Siddartha» noch in einer tiefen Sinnkrise steckten, versetzte uns der «Steppenwolf» in den ultimativen Rauschzustand. Sehen wir dann Jahre später eines dieser für unsere persönliche Entwicklung wichtige Buch zufällig in der Buchhandlung wieder, berühren wir es andächtig mit der Fingerspitze und geben ihm ein bisschen von der Liebe wieder, die es in uns ausgelöst hat.

Manche Bücher, die uns berührt haben, kommen uns auch abhanden. Bei mir ist es ein Kinderbuch namens «Unser Fränzi», das vergriffen ist und das ich schon seit Jahren auf Bücherflohmärkten und in Buchantiquariaten suche wie die berühmte Nadel im Heuhaufen. Bis zu jenem Tag, an dem ich nichtsahnend in die Winterthurer Kunsthalle spaziere und es entdecke, mein Buch: Mit einem riesigen Nagel als Teil einer Kunstinstallation in die Wand gehämmert! Ich habe eine Weile gebraucht, um mich von diesem Schock zu erholen. Bücher sind doch wie Freunde, und erst recht Bücher, die man geliebt hat! Sie sind wie verflossene Liebhaber, wie erste Sandkastenfreunde... In meiner Verzweiflung habe ich noch wie eine Verrückte am Buch herumgenestelt, um wenigstens herauszufinden, ob es sich auch wirklich um «mein» Buch handelt, doch es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Der Nagel steckte zu tief im Fleisch des Buches. Gleichzeitig hatte sich ein ebenso langer Nagel direkt in mein Herz gebohrt. Pfui, moderne Kunst, pfui!

Mittwoch, 27. Mai 2009

Seine eigene Marke werden

Erasmus-Student in Berlin oder Barcelona zu sein – seit der Bologna-Reform ein Lebensgefühl. Neue interessante Leuten kennen lernen, zu billigem Bier die Nächte durchfeiern, zwei Vorlesungen pro Woche besuchen und in der restlichen, freien Zeit: Auf den Flohmarkt gehen, ein Akkordeon kaufen und darauf spielen lernen.

Zwischen Zwanzig und Dreissig ist es unsere Aufgabe, die Welt zu verstehen und einen Platz in ihr zu finden. In keinem anderen Alter ist die Sehnsucht so gross, endlich aufhören zu WERDEN und anfangen zu SEIN. In den letzten Jahren ist höhere Bildung für eine breite Bevölkerungsschicht zugänglich geworden. Noch vor fünfzig Jahren studierten 5 bis 7 Prozent eines Jahrgangs, heute sind 30, 40 oder sogar 80 Prozent. Das hat eine andere Welt des Studierens hervorgebracht. Aus der Universität für eine Elite ist eine Massenuniverstiät geworden; die Bologna-Reform ist ein Zugeständnis an dieses Massenphänomen, das eng mit dem Wohlstand in den europäischen Industrienationen verknüpft ist.

Früher, zu Zeiten der Humboldtschen Eliteuniverstiät, galt das Studium als eine besondere Lebensphase, die nur der Bildung und dem Lernen gewidmet war, eine Art Schwebezustand, privilegiert zwar, aber ökonomisch benachteiligt. (vgl. Stichweh) Heute erheben Studierende in Europa den Anspruch auf den gleichen Lebensstandard wie junge Berufstätige: Eine eigene Wohnung, Ferien oder sogar ausgedehnte Reisen, auf solche Dinge möchte heute niemand mehr verzichten. Deshalb erfolgt der Eintritt ins Berufsleben bei vielen Studenten oftmals gleichzeitig mit dem Studium.

Doch während früher der Eliteschicht der Aufstieg in eine hochprivilegierte Schicht sicher war, ist es heute jedem selbst überlassen, was er aus seinem erworbenen Wissen macht. Trotz abgeschlossenem Studium bleibt niemand mehr davon verschont, sich irgendwann die entscheidenden zwei Fragen zu stellen: «Was will ich wirklich anfangen mit meinem Leben?» Und, in einem noch grösseren Massstab: «Was will ich der Welt einst hinterlassen?» Die Antwort auf diese Fragen ist kompliziert und der Weg dorthin mit Dickicht und Schlingpflanzen überwuchert. Ein Studium bietet Antworten auf so manche Fragen – doch leider selten auf diese.

Wenn heute fast jeder Stellenbewerber einen Bachelor vorweisen kann, verliert dieser automatisch an Wert. Dafür steigt der Wert einer anderen, lange unterschätzen Eigenschaft: Originalität. Nicht jeder hat mit ein paar Freunden eine Snowboardfilm-Produktion ins Leben gerufen, selbständig eine Bilderausstellung organisiert oder ein start-up gegründet. Innovation und Originalität wird hoffentlich künftig in den Personaletagen einen mindestens ebenso hohen Stellenwert einnehmen wie Bildung. Und mit den neuen Medien ist das noch viel einfacher geworden. In mir jedenfalls beginnt etwas zu summen, wenn meine Freundin mir erzählt: «Weisst Du, es gefällt mir, wenn ich fast nicht mehr schlafen kann vor lauter Ideen, die mir im Kopf herumschwirren.» Ja, ja, mehr davon! Auch ich kenne dieses Gefühl des Überfliessens, wenn man so viele Projektideen gleichzeitig im Kopf hat und fürchtet, zu wenig Lebenszeit zu Verfügung zu haben, um sie alle umzusetzen.

Wie sehr uns ein Studienfach auch interessieren mag, selten wird es all unseren Potentialen gerecht. Genau in dieser Hinsicht sitzen wir häufig einem Denkfehler auf. Viel zu schnell fragen wir danach, wonach der Markt verlangt, dabei könnten wir ja auch einmal fragen: «Was haben wir dem Markt anzubieten?» Wir sollten den Mut haben, uns unser eigenes Berufsbild zu erschaffen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, unsere eigene Ich-AG zu werden. Ein Studium kann auf diesem Weg sehr hilfreich sein – doch letztlich soll es nur ein Mittel sein zum Zweck. Gegen Ende meiner eigenen Studienzeit gab es einen Professor, der uns eine eindringliche Rede hielt im Hinblick auf unsere berufliche Zukunft. Am Schluss appellierte er an uns: «Werden Sie ihre eigene Marke!». Es war etwas vom Wichtigsten, was ich in drei Jahren Studium gelernt habe.


Quelle: «Ohne Hochschulen kein Wohlstand». In: NZZ Am Sonntag, 27. Dezember 2009. Rudolf Stichweh, Katharina Meier-Rust

Dienstag, 19. Mai 2009

Ode an die Kurven

amazonen_negativFrancine Jordi hat den schönsten Ausschnitt der Schweiz. Wir sitzen gerade in einer ausgelassenen Runde und trinken Rotwein, als dieser Satz fällt. Ein Hinhörer. „Das hat die Glückspost neulich geschrieben“, erklärt die Regenbogenpresse-Leserin der Runde beflissen in die entstandene Stille hinein. Und ehe ich mich versehe, entfährt es mir: „Francine Jordi hat wirklich einen Wahnsinns-Ausschnitt.“ Die Männer in der Runde sagen plötzlich keinen Ton mehr, während die Eremitin unter Lachen zu mir meint: „Ich kann mich nicht entscheiden, was mich mehr schockiert: Dass Du Dich für Francin Jordis Ausschnitt interessierst oder dass Du überhaupt weisst, wer Francin Jordi ist?“ (Francine Jordi ist eine Schlagersängerin, Anm.)

Drall im prallen Leben stehen
Gross gewachsene Frauen mit barocken Körpermassen sind schön. Und ich will das sagen können, ohne mich gleich dem Generalverdacht ausgesetzt zu sehen, dass ich etwas schön reden will, was sowieso nicht zu ändern ist. Ich würde üppige, vollbusige Frauen wie Francine Jordi, Cecilia Bartoli oder Marilyn Monroe auch dann schön finden, wenn ich selber eine keine solche wäre. Es ist ein nettes Geschenk der Natur, dass ich bekommen habe, was mir auch an anderen gut gefällt.
Doch wir leben in einer widersprüchlichen Welt. Überall herrscht Überfluss, aber ausgerechnet unsere Körper sollen nicht überfliessen dürfen? Dabei ist es doch ein herrliches Gefühl, zu überfliessen! Man kann vor Liebe überfliessen, sodass man dem Liebsten auf offener Strasse ungestüm einen Kuss aufdrückt oder man kann vor Kreativität überfliessen, sodass man vor lauter Ideen des nachts kaum schlafen kann. Wenn wir überfliessen, spüren wir es als eine innerliche Erregung, eine Mischung aus Tatkraft, leichte Überforderung und Aufgeregtsein. Es ist doch so: Wer mager ist, ist krank. Wer rund ist, ist gesund. Eine Ode an die üppige Frau ist also gleichzeitig eine Anrufung an ein pralles und verrücktes Leben, an Lebensmut- und Lebenskraft.

Dieser Hunger nach Leben
Vollbusige Frauen haben meistens etwas sehr Nährendes an sich. Doch ist das keine Anspielung auf Mutterschaft und Muttermilch. Mit „nährend“ ist mehr ein Wesenszug, eine Charaktereigenschaft gemeint. Menschen, die diese Art von Frauen lieben, sind von ihrer sprühenden Lebenskraft fasziniert, möchten sich von ihrem Sinn für den Lebensgenuss verführen lassen. Im Verlauf der Geschichte hat es immer wieder Maler gegeben, die dafür bekannt waren, dass sie dralle Frauen gezeichnet haben: Rubens zum Beispiel oder Picasso. Üppige Frauen haben diesen Künstlern Modell gestanden, waren deren Musen und damit eine nie versiegende Quelle der Inspiration. Maler, die eine Vorliebe für dürre Frauenmodels hatten, sind mir nicht bekannt. Dürre Frauen wirken kalt, leer, tot. Eine Bauchspeck-Diva belebt den Geist, meistens ist sie feinsinnig, sie liebt das schöne Leben, das Essen die Musik und den Wein. Sie ist grossherzig, spontan, sinnlich, leidenschaftlich und... sie lacht viel. Sie ist eine grosse Gesellschafterin mit einem grossen Herzen. Bauchspeck-Diven skandieren deshalb lautstark in die Welt hinaus: „Rolle an Rolle, Speck an Speck – wir bleiben rund!“ Persönlichkeit hat eben immer Gewicht.

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Chalid al-Chamissi
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