Randolph

Dienstag, 14. Dezember 2010

Mit Randolph durch den Advent - Teil 14

Heute Nacht allerdings kurvte er nicht aus Schlaflosigkeit kreuz und quer durch Saigon, sondern aus einem Fluchtbedürfnis heraus. Seine neue «Frau» Elaine wartete im Hotel auf ihn, wollte sich von ihm zum Sushi essen ausführen lassen. Es wurde später und später, doch Randolph konnte sich einfach nicht dazu durchringen, zu ihr ins Hotel zurückzufahren. Er fühlte sich dieser plötzlichen Zweisamkeit nicht gewachsen. Ihre Art, ihn zu vereinnahmen wie Land, das sie zu besetzen fest entschlossen war, versetzte ihn in Panik. Sie Kolumbus. Er Amerika. Und doch war er zu schwach, um mit den Kanonenkugeln aufzufahren, ihr Einhalt zu gebieten und zu verhindern, dass sie ihre Flagge ins Sediment rammte. Es war der fünfte Tag seit ihrer Begegnung und seine Rastlosigkeit hatte ihren Höhepunkt erreicht. Seine Nerven waren zum Bersten gespannt. Er betrachtete die Bilder, mit denen der Taxifahrer der Innenraum seines Autos ausgeschmückt hatte. Bilder, von denen er glaubte, dass sie Teheran zeigten. Randolph beschloss, dass er schon immer mal in den Iran gewollt hatte.

Montag, 13. Dezember 2010

Mit Randolph durch den Advent

Randolph war nie verheiratet gewesen. Und das lag nicht nur daran, dass er nie die richtige Frau getroffen hatte. Randolph glaube nicht an die Ehe. Er hielt für etwas für Schwächlinge, die mit der Einsamkeit nicht umgehen konnten. Eine Ehe war für ihn eine Rettungsweste, auf die er nicht angewiesen war. Schliesslich konnte er schwimmen. Darüber dachte er jetzt nach, während er auf dem Rücksitz eines gelben Taxis durch die Nacht brauste. Randolph liebte es, in der Dunkelheit der Nacht durch Millionenmetropolen zu brausen. Wenn er nicht schlafen konnte, liess er sich manchmal stundenlang herumfahren. Einzutauchen in den Sog einer Stadt, die blinkenden Werbetafeln vorbeischnellen zu sehen, am Besten zu den dröhnenden Beats einer fremden Welt aus dem Autoradio. Es versetzte ihn in einen eigenartigen Rauschzustand, gleichzeitig fühlte er sich besänftigt. Den Rhythmus der Stadt zu spüren, die Stadt einzuatmen, alles vom Taxifenster aus.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Mit Randolph...

Später – Elaine wachste wohl gerade ihre Beine oder war mit anderen Geheimnissen der weiblichen Schönheitspflege beschäftigt – versuchte Randolph krampfhaft, sich auf die Verhandlung mit einem wichtigen vietnamesischen Geschäftspartner zu konzentrieren. Sie sassen in der Hotellobby über Akten gebeugt, als eine Berührung ihn am Arm streifte. Elaine stand vor ihm, in ein schwarzes, ziemlich knappes Kleid gehüllt, die Lippen mit einem pflaumenfarbenen Lippenstift geschminkt, und schaute ihn vielsagend an. Randolphs Herz setzte einen Takt lang aus. Die Höflichkeit erforderte natürlich, dass er die fremde Frau mit seinen Geschäftspartnern bekannt machte. Und weil alles andere in einem solchen Kontext unangemessen, um nicht zu sagen unmoralisch gewesen wäre, sah Randolph sich gezwungen, Elaine kurzerhand als seine Ehefrau vorzustellen. Elaine schien zufrieden und streckte den Herren lächelnd die Hand hin.

Mit Randolph...

Etwas endete, und etwas Neues begann. Elaine sah im erbarmungslosen Licht des anbrechenden Tages kein bisschen weniger bezaubernd aus. Ihre Nacktheit war nur durch ein blütenweisses Bettlaken verhüllt. Trotzdem schien sie von der ganze «Morgen-danach-Situation» völlig unbeeindruckt zu sein. Randolph schob den Gedanken, dass sie wirkte, als wäre das nicht ihre erste Nacht in einem fremden Fünfsternebett gewesen, weit von sich. «Woher kommst du?», fragte er, im Bemühen, etwas mehr über sie zu erfahren als ihren Namen. «Ist das so wichtig?», gab sie zurück. «Bist du fremd hier in der Stadt?», versuchte er es weiter. Inzwischen war ihm auch wieder eingefallen, dass er sich in Saigon befand. «Und als nächstes fragst du mich, ob ich dir die Stadt zeige?» Elaine zerwühlte ihm die Haare, stand auf und machte sich auf den Weg ins Bad. Ihr kleiner brauner Hintern schwenkte beim Gehen hin und her. In diesem Moment wusste Randolph, dass er dieser Frau verfallen war.

Randolph...

Irgendwann begannen sie sich zu küssen, zuerst zärtlich und dann immer leidenschaftlicher. Die Lippen der Asiatin schmeckten nach Erdnüsschen und Mandarinchen, eine ganz eigenartige Kombination, die ihn bis heute an diese erste Nacht mit Elaine erinnerte. Elaine war eine sehr sanfte Liebhaberin, ihr zarter, filigraner Körper umschlang den seinen mit viel Zartheit und gleichzeitig mit dem richtigen Mass an Druck. Ihre Haut war butterweich und schimmerte seiden, die sachte Berührung ihrer Haarspitzen auf seiner nackten Haut verursachte ihm Gänsehaut. Elaine war eine ausdauernde Liebhaberin, sie umschloss seine Härte mit ihrem Mund und liess ihre Zungenspitze kreisen, nur um kurz vor dem Höhepunkt von ihm abzulassen. Ein Mal. Zwei Mal. Zehn Mal. Randolph war wie von Sinnen. Der Genuss dauerte die ganze Nacht und ergoss sich irgendwann gegen Morgengrauen in einen ekstatischen Höhepunkt. Randolph hatte nie ganz verstanden, warum die Natur es so angelegt hatte, dass der Höhepunkt auch gleichzeitig immer der Schlusspunkt war.

Randolph...

Die dunkelhaarige Schönheit war ihm sofort aufgefallen, wie sie in der schummrigen Hotelbar in der Ecke sass und an einem Sektkelch nippte. Randolph hatte bereits ordentlich getrunken und befand sich in jenem gefährlichen Zustand, in dem er, selbst wenn er sich anstrengte, nicht mehr genau sagen konnte, in welcher Stadt er sich gerade befand. Hongkong, Saigon oder war es doch Manila gewesen? Die Schönheit dieser Asiatin betörte ihn, sodass er auf der Stelle nüchtern wurde. So erging es ihm jedes Mal, wenn ihm eine Frau wirklich gefiel. Er gab sich innerlich einen Schubser und näherte sich der dunkelhäutigen Schönheit. Irgendwie gelang es ihm, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Elaine schien mässig interessiert, und Randolph begann zu schwitzen. Doch so schnell wollte er sich nicht geschlagen geben. Er bezahlte ihr Cocktail um Cocktail, in seiner Erinnerung trank sie sich durch sämtliche Farben des Regenbogens. So zum Affen hatte er sich schon lange nicht mehr gemacht für eine Frau! Doch es war ihm gleichgültig. Diese unnahbare Aura, mit der sich die Asiatin umgab, machte sie für Randolph nur noch begehrenswerter. Sein Jagdinstinkt war geweckt.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Randolph...

Als Staubsaugerverkäufer war Randolph geschäftlich in der ganzen Welt unterwegs gewesen. Irgendwann hatte er eine Vorliebe für vornehme Hotels entwickelt. In jeder Stadt suchte er instinktiv die exklusivste Adresse auf. Die livrierten Kellner und die Wohlgerüche gaben ihm immer das Gefühl, zwei Zentimeter über dem Boden zu schweben. Zudem war er für Ästhetik schon immer sehr empfänglich gewesen. Hotellobbys bedienten seiner Meinung nach diesen – seinen – Sinn für die Wohlgestalt der Dinge. Kurz gesagt: Randolph mochte es gerne geschmackvoll. Ganze Nachmittage konnte er damit zubringen, in der Lobby zu sitzen, Kaffee zu trinken und Zeitung zu lesen. Und abends nach dem Eindunkeln wechselte er nahtlos über in die Bar. An Hotelkomplexen schätzte er vor allem, dass er nie weit zu gehen brauchte bis zur nächsten Sinnesfreude. Meistens schloss er in Windeseile Freundschaft mit dem Kneipenwirt und wusste bald Bescheid über Anzahl und Namen dessen Kinder, Erfolg oder Misserfolg ihrer Schulkarrieren und den Zustand seiner Ehe. Randolph war ein geselliger Mensch, der überall, wo er war, sofort Leute um sich scharte. Mit seinem wilden Sinn für Humor hatte er etwas Gewinnendes an sich, zudem strahlte er etwas Freigebiges, Grosszügiges aus. Diesen Eindruck wurde nicht selten dadurch bestätigt, dass er wildfremden Menschen Drinks bezahlte. Ja, in der Tat: Randolph wusste, wie man es krachen liess. So war es auch an jenem Abend gewesen, als Elaine in sein Leben trat.

Dienstag, 7. Dezember 2010

Mit Randolph durch den Advent...

Randolph lächelte in der Erinnerung an Heinrich, während er ein Feuer im Kamin entfachte. Der Gedanke munterte ihn auf. Was für ein derber Seebär Heinrich gewesen war! Manchmal dachte Randolph voller Wehmut, dass seine Seefahrerzeit doch die beste Zeit seines Lebens gewesen war. Die Holzscheite gerieten in Brand, nun konnte er das Feuer seinem Schicksal überlassen. Randolph setzte sich in den Schaukelstuhl vor dem Kamin und schaute in die züngelnden Flammen, der Tigerkopf zu seinen Füssen blickte ihn aus glasigen Augen an. An alle Ratschläge vom guten alten Heinrich hatte er sich nicht gehalten, ein guter Matrose war er trotzdem geworden. Doch wenn Heinrich wüsste, dass Randolph nun sesshaft geworden war! Er würde sich im Grab umdrehen. Denn Randolph war sich sicher, dass Heinrich inzwischen von den Haien gefressen oder von den Indianern enthauptet worden war. Unter Matrosen galt nur ein gewaltsamer Tod als ehrenhafter Tod. Die grösste aller Sünden war aber, sich irgendwo niederzulassen, gar nicht davon zu reden, Herr über Ländereien zu sein so wie Randolph. Aber wer hätte auch ahnen können, dass er mit dem Verkaufen von Staubsaugern ein Vermögen machen würde.

Montag, 6. Dezember 2010

Randolph...

«Lektion eins», sagte Heinrich, «betrifft die Weiber». Randolphs Augen weiteten sich. «Unsereins hat da viel gelernt von den Indianern, drüben, du weisst schon, auf dem anderen Kontinent.» Randolph nickte wie ein beflissener Schüler. «Bist du neu auf dem Gebiet des Weiberns», Heinrich machte eine kunstvolle Pause, «und das bist du, das sehe ich dir an», und er fuhr fort: «verbringst du deine erste Liebesnacht mit einer Frau mittleren Alters.» Randolph musste an seine Mutter denken, ihm wurde eng in der Brust. «Die alten Weiber, die können dir einheizen, das kann ich dir sagen!», Heinrich geriet ins Schwärmen. «In nur einer Nacht bringen die dir alles bei, was du über das Liebemachen wissen musst. Lass die paar Falten Falten sein, das sind die besten Lehrerinnen.» Randolph nickte. «Die zweite Nacht», fuhr Heinrich weiter, «verbringst du mit einem Mann.» Randolph schluckte leer. «Mit einem Mann? Aber...» - «Ich weiss schon was du sagen willst», unterbrach Heinrich ihn abrupt. «Dass du kein Schwanzlutscher bist, nicht wahr», und er lachte aus vollem Hals sein Bärentöterlachen. «Unsereins hat genauso gedacht. Doch darum geht es nicht. Du musst wissen, wie sich ein Mann anfühlt. Nur so kannst du wissen, wie es für die Frau ist. Verstehst du, du musst versuchen, dich in die Weibsdinger einzufühlen, nur so holst du den Anker ein.» Heinrich stutzte. «Du weisst doch, was ich meine, wenn ich sage, den Anker einholen?» Randolph wollte sich vor Heinrich nicht blamieren. «Padääm, du weisst schon, das Schiff klar machen, die Segel hissen....» - «Ach so, ja klar», sagte Randolph kleinlaut. «Die dritte Nacht und letzte Nacht», sagte Heinrich in feierlichem Ton, «verbringst du mit einer jungen, bildschönen Frau.»

Randolph...

Heinrich sah aus wie Sindbad der Seefahrer. Er war bärtig im ganzen Gesicht, auf seinem muskulösen linken Oberarm prangte ein Anker, und irgendwo hatte er sich noch eine Meerjungfrau tätowiert. An welcher Körperstelle, wollte er Randolph allerdings nicht verraten, und dabei grinste er dreckig, der Goldzahn in der hinteren Reihe blitzte auf. Heinrich bestellte einen Grog nach dem anderen und stellte sie Randolph vor die Nase. «Richtige Seefahrer trinken Grog!», polterte er. Heinrich hatte offenbar einen gewissen Ehrgeiz entwickelt. Einen Ehrgeiz, den ihn, Randolph, betraf. Aus irgendeinem Grund sah er es als seinen persönlichen, inneren Auftrag an, aus Randolph den besten Matrosen aller Zeiten zu machen.

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