Randolph

Samstag, 4. Dezember 2010

Randolph...

Eines Tages hatte er ein paar Kleider in einen brauen Lederkoffer gepackt, das elterliche Haus ohne Abschiedsgruss verlassen und den nächsten Zug nach Triest bestiegen. Er war entschlossen, die Welt zu sehen, Erfahrungen zu sammeln, er wollte alles Neue und Fremdartige in sich aufsaugen, ja er wollte LEBEN! Die erste Ernüchterung nach seiner Ankunft in Triest liess nicht lange auf sich warten. Fremde Zungen redeten auf ihn ein, er verstand kein Wort, es war backofenglutheiss und die Gassen stanken zum Himmel. Und erst der Hafen! Der Hafen von Triest war ein Hort von Frivolitäten und Exzessen. Randolph, eben erst der Provinz entkommen, schaute ungläubig dem wilden Treiben am Hafen zu. Waren wurden ein- und ausgeladen, exotische Tiere wie Papageien oder Schlangen standen auf dem Schwarzmarkt zum Verkauf, bärtige Matrosen versoffen ihre Heuer in nur einem Abend, Huren bezirzten die willigen Rückkehrer, die mit müden Augen und schwankendem Schritt durch die Hafengässchen wankten. Die Matrosen schienen ein Volk von Gefallenen zu sein, und Randolph befand sich mitten unter ihnen. Klamm wurde ihm ums Herz. Sein Vater hätte ihn geradewegs enterbt, hätte er ihn unter dieser Meute gewusst. Randolph konnte sich gerade noch ein kleines, schäbiges Zimmerchen in einer heruntergekommenen Pension leisten. Durch das kleine Fenster hatte er Blick auf den Golf von Triest und den grenzenlosen Horizont. Heimweh packte ihn, Heimweh nach dem Vertrauten und dem Gefühl, die Kontrolle über sich und sein Leben zu haben. In den Kleidern legte er sich aufs Bett und fiel sofort in einen tiefen Schlummer, die Natur forderte ihr Recht, trotz des Kummers in seinem Herzen. Besser ging es ihm erst, als er ein paar Tage darauf Heinrich kennen lernte. Heinrich war Deutscher und ging schon seit zwanzig Jahren zu See. Heinrich lehrte Randolph alles, was man über das Matrosenleben wissen musste.

Freitag, 3. Dezember 2010

Mit Randolph...

Behäbig stemmte er sich aus dem Sessel, sein fülliger Leib schränkte ihn in seiner Bewegungsfreiheit ein. Barfuss schritt er über den gepflegten englischen Rasen, der in der Abenddämmerung glitzerte. Die Grashalme kitzelten ihn an den Fusssohlen. Bald würde es ganz dunkel sein. Sein Haus stand auf einer Anhöhe, rund herum war das Gelände abfallend. Bloss ein Zaun trennte ihn von den wilden Schakalen, die ihn nachts mit ihrem Geheule beinahe um den Verstand brachten. Randolph betrat die Villa, sein Papagei schaute ihn vorwurfsvoll vom Käfig aus an und krächzte laut. Lady Montgomery würde er mitnehmen in sein neues Leben, beschloss er. Die Laute des Papageis erinnerten ihn an seine etwas lang geratenen Wanderjahre, die ihn als Matrose auf hoher See durch wilde, unbesiedelte Gebiete der Weltgeschichte geführt hatten. Er musste daran zurückdenken, wie er einst in die Welt hinausgegangen war – jung, naiv, voller Enthusiasmus und Entdeckerfreude.

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Mit Randolph... Fortsetzung

Elaine schien die Geduld zu verlieren. «Komm zurück ins Bett», schnurrte sie. Seit Randolph sich die junge Filipina ins Haus geholt hatte, war einiges in seinem Leben in Schieflage geraten. Die ursprünglichen Landbesitzer, die Ureinwohner, waren vor Gericht gegangen, um ihr Anspruch auf sein Land geltend zu machen, das er der Regierung vor einigen Jahren für einen Spottpreis abgekauft hatte. Und sie hatten Recht bekommen. Morgen würde Randoph also nicht nicht nur plötzlich ein mittelloser, fünfzigjähriger Weisser sein, sondern schlagartig auch seines sozialen Status beraubt. Denn was war ein Farmbesitzer ohne seine Farm?

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Randy the Barber - mit Randolph durch den Advent

Randolph sass in seinem Korbstuhl im Garten, er hatte sich einen Sarong um die Hüften geschlungen. Oben trug er ein marineblaues Hemd. Er liess den Blick über sein Anwesen streifen, aus der Ferne drangen Tierlaute an sein Ohr. Zufrieden lächelnd schenkte er sich Whisky nach, leise klirrten die Eiswürfel im Glas. Ja, er hatte sich wirklich etwas aufgebaut mit dieser Farm. Und nun sollte ihm alles genommen werden. Morgen würden die Bulldozer auffahren.
«Randolph?» Eine asiatische Schönheit trat aus dem Haus, in ein Seidenkleid gehüllt, die langen dunklen Haare trug sie offen. Sie trat näher zu ihm heran, einige Haarsträhnen berührten leicht seine Schultern. «Was machst du hier draussen, so ganz alleine?» Randolph seufzte. «Ich weiss nicht. Ich sinniere.» Er dachte an all die rauschenden Feste, die er in diesem Garten gefeiert hatte. Randolph hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, alle paar Monate eine Gartenparty zu geben, zu der regelmässig an die hundert Gäste erschienen. Hier draussen im Busch hatten seine Partys längst einen festen Platz eingenommen im sozialen Leben jener Menschen, die sich diesen verlassenen Landstrich als Kulisse für ihr Leben ausgesucht hatten. «Ein soziales Grossereignis», murmelte er vor sich hin. Und plötzlich traten ihm Tränen in die Augen.

Donnerstag, 25. November 2010

Coming soon... mit Randolph durch den Advent

Ein literarischer Aventskalender, der über Saigon in den Iran, nach Tansania und in die Philippinen führt.

Dienstag, 29. Juni 2010

Randolph: Hinaus in die Welt

Randolph war stets gerne gereist. Er empfand es als belebend, und mit einem riesigen Schatz an Farben, Geschichten und Gerüchten kehrte er jeweils nach Hause zurück. Kaum hatte er seinen Koffer im Flur abgestellt, nahm er im Kopf bereits die Planung für seine nächste Reise in Angriff. «Wenn das Reisen doch nur zu meinem Beruf machen könnte!», hatte er mehr als nur einmal geseufzt. Seine Eltern hingegen schüttelten den Kopf über ihren herumvagabundierenden Sohn, sie fürchteten um Randolphs guten Ruf, sein «streunern», wie sie es nannten, konnte kein gutes Ende nehmen. Eines Tages packte Randolph ein paar Wechselklamotten in einen brauen Lederkoffer, schloss die Tür hinter sich und bestieg den nächsten Zug nach Triest. Randolph war entschlossen, seinen Traum zu leben, er wollte Erfahrungen machen, die Welt sehen, er wollte alles Neue und Fremdartige mit offenen Armen Willkommen heissen, ja er wollte LEBEN!

Die erste Ernüchterung nach seiner Ankunft in Triest liess nicht lange auf sich warten. Fremde Zungen redeten auf ihn ein, von denen er kein Wort verstand, es war backofenglutheiss und die Gassen stanken zum Himmel. Und erst der Hafen! Der Hafen von Triest war ein Hort von Frivolitäten und Exzessen. Randolph, eben erst der Provinz entkommen, schaute ungläubig dem wilden Treiben am Hafen zu. Waren wurden ein- und ausgeladen, exotische Tiere wie Papageien oder Schlangen standen auf dem Schwarzmarkt zum Verkauf, bärtige Matrosen versoffen ihre Heuer in nur einem Abend, Huren bezirzten die willigen Rückkehrer, die mit müden Augen und schwankenden Schrittes durch die Hafengässchen wankten. Die Matrosen schienen ein Volk von Gefallenen zu sein, und Randolph befand sich mitten unter ihnen. Klamm wurde ihm ums Herz. Sein Vater hätte ihn geradewegs enterbt, hätte er ihn unter dieser Meute gewusst. Randolph konnte sich gerade noch ein kleines, schäbiges Zimmerchen in einer heruntergekommenen Pension leisten. Durch das kleine Fenster hatte er Blick auf den Golf von Triest und den grenzenlosen Horizont. Heimweh packte ihn, Heimweh nach dem Vertrauten und dem Gefühl, die Kontrolle über sich und sein Leben zu haben. In den Kleidern legte er sich aufs Bett und schlief sofort ein, der Schlaf forderte sein Recht, trotz des Kummers in seinem Herzen. Seine Situation verbesserte sich erst, als er ein paar Tage darauf Heinrich kennen lernte. Heinrich war Deutscher und ging schon seit zwanzig Jahren auf See. Er war ein richtiger Seebär und sah auch dementsprechend aus. Heinrich lehrte Randolph alles, was man über das Matrosenleben wissen musste.

Montag, 21. Juni 2010

Randolph

Randolph sass in seinem Korbstuhl im Garten, er hatte sich einen Sarong um die Hüften geschlungen. Oben trug er ein marineblaues Hemd. Er liess den Blick über sein Anwesen streifen, aus der Ferne drangen Tierlaute an sein Ohr. Zufrieden lächelnd schenkte er sich Whiskey nach, leise klirrten die Eiswürfel im Glas. Ja, er hatte sich wirklich etwas aufgebaut mit dieser Farm. Und nun sollte ihm alles genommen werden. Morgen würden die Bulldozer auffahren.
«Randolph?» Eine asiatische Schönheit trat aus dem Haus, in ein Seidenkleid gehüllt, die langen dunklen Haare trug sie offen. Sie trat näher zu ihm heran, einige Haarsträhnen berührten leicht seine Schultern. «Was machst du hier draussen, so ganz alleine?» Randolph seufzte. «Ich weiss nicht. Ich sinniere.» Er dachte an all die rauschenden Feste, die er gemeinsam mit Freunden in diesem Garten gefeiert hatte. Randolph hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, alle paar Monate eine Handvoll Freunde einzuladen. Hier draussen im Busch hatten seine Cocktail-Partys längst einen festen Platz im sozialen Leben der paar Menschen, die sich diesen verlassenen Landstrich für ihr Leben ausgesucht hatten. «Ein soziales Grossereignis», murmelte er vor sich hin. Und plötzlich standen ihm Tränen in den Augen.
Elaine schien die Geduld zu verlieren. «Komm zurück ins Bett», schnurrte sie. Seit Randolph sich die junge Philipinin ins Haus geholt hatte, war einiges in seinem Leben in Schieflage geraten. Nachdem seine Frau von seiner Liebschaft Wind bekommen hatte, hatte sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihm den Ehebruch zum Verhängnis zu machen. Dabei lebten er und seine Frau schon lange getrennt. Doch im rückständigen Tansania waren die Gesetze anders, seine Frau zog vor Gericht und gewann. Randolph musste ihr das Anwesen als Schadenersatz überlassen, so entschied es das Gericht, plus eine Summe Bargeld in erheblicher Höhe als Abfindung.
Morgen würde Randoph nicht nur plötzlich ein mittelloser, fünfzigjähriger Weisser sein, sondern schlagartig auch seines sozialen Status beraubt. Denn was war ein Farmbesitzer ohne seine Farm? Behäbig stemmte er sich aus dem Sessel, sein fülliger Leib schränkte ihn in seiner Bewegungsfreiheit ein. Barfuss schritt er über den gepflegten englischen Rasen, der in der Abenddämmerung glitzerte. Die Grashalme kitzelten ihn an den Fusssohlen. Bald würde es ganz dunkel sein. Sein Haus stand auf einer Anhöhe, rund herum war das Gelände abfallend. Bloss ein Zaun trennte ihn von den wilden Schakalen, die ihn nachts mit ihrem Geheule beinahe um den Verstand brachten. Randolph drehte sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass Elaine zurück ins Haus gegangen war. Viel Zeit hatte er nicht. Er musste handeln. Und zwar jetzt.

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